Wo bindet Cisplatin?

Nachweis von Cisplatin-Vernetzungsstellen. (c) Wiley-VCH

Cisplatin gehört zu den am häufigsten verwendeten Medikamenten in der Krebstherapie. Es wirkt durch Quervernetzung von DNA, die den Zelltod auslösen kann. Wo aber im Genom greift Cisplatin vorwiegend an, wo weniger? Chinesische Wissenschaftler haben jetzt ein universelles Testsystem entwickelt, um das gesamte Genom auf Cisplatin-Vernetzungsstellen zu untersuchen.

In der Zeitschrift Angewandte Chemie stellen sie den Test vor und präsentieren erste Ergebnisse. Ihre Befunde unterstützen die bisherige Vermutung, dass das mitochondriale Genom von der Cisplatin-Vernetzung am stärksten betroffen ist.

Krebszellen sind außergewöhnlich aktiv und haben eine rasche DNA-Replikationsrate. Viele Krebsmedikamente sind daher zum Angriff auf die DNA-Replikation konzipiert, und Cisplatin gehört zu den effektivsten DNA-schädigenden Wirkstoffen. Es wirkt, indem ein Platinatom an zwei benachbarte Guanin-DNA-Nucleobasen bindet und sie vernetzt. Diese Veränderung öffnet und erweitert den DNA-Doppelstrang an dieser Stelle.

Kann die DNA-Reparatur-Maschinerie die geschädigten Postitionen nicht alle ausschneiden und wieder auffüllen, programmiert sich die Zelle auf Zelltod um. Trotz dieses ziemlich eindeutigen Wirkprinzips, konnte bisher nur indirekt nachgewiesen werden, an welchem Teil des Genoms das Cisplatin bevorzugt angreift. In einer interdisziplinären Zusammenarbeit haben nun Chengqi Yi von der Peking University und Chuan He von der Peking University, University of Chicago und dem Howard Hughes Medical Institute in Chicago mit „Cisplatin-seq“ ein universales Testsystem entwickelt, um spezifisch diejenigen Genomteile zu identifizieren, die Cisplatin besonders ausgesetzt sind.

Schlüsselbestandteil in diesem Testsystem ist ein spezielles DNA-bindendes Protein namens HMGB1, dessen Domäne-A-Fragment an Cisplatin-geschädigte DNA-Fragmente bindet und für eine Hochdurchsatz-Sequenzanalyse anreichert. Ziel war es, durch Sequenzierung diejenigen Nucleobasen nachzuweisen, an denen Cisplatin angegriffen hatte: „Da die Cisplatin-DNA-Addukte die DNA-Synthese stoppen können, können die Vernetzungsstellen im gesamten Genom auf Basenebene identifiziert werden“, schreiben Yi, He und ihre Kollegen. Oder anders gesagt: Die Sequenzierung endet immer genau an der Position, wo die Vernetzung stattgefunden hat.

Der große Vorteil von Cisplatin-seq ist seine genomweite Anwendbarkeit. Die Wissenschaftler konnten in ersten Versuchen bestätigen, dass insbesondere die mitochondriale DNA von Cisplatin betroffen ist. „Da die mitochondriale DNA weder Histone noch NER (eines der DNA-Reparatursysteme) besitzt, ist sie eine der Hauptziele von Cisplatin“, stellen die Wissenschaftler fest und fügen hinzu: „Für die DNA im Zellkern der Krebszelle tragen jedoch die DNA-bindenden Proteine wesentlich zur Anreicherung von Cisplatin-DNA-Addukten bei“. Weitere Anwendungen von Cisplatin-seq könnten Profiling-Studien von Cisplatin-DNA-Addukten bei unterschiedlicher Wirkstoff-Dosierung sein. Es wäre ein hochinteressanter Schritt in der Krebstherapie.

Angewandte Chemie: Presseinfo 37/2016

Autor: Chengqi Yi, Peking University (China), http://www.chem.pku.edu.cn/sfbc/webcontent/default_en.asp?pageID=44&id=1355

Link zum Originalbeitrag: http://dx.doi.org/10.1002/ange.201607380

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.

http://presse.angewandte.de

Media Contact

Dr. Karin J. Schmitz Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Ideen für die Zukunft

TU Berlin präsentiert sich vom 22. bis 26. April 2024 mit neun Projekten auf der Hannover Messe 2024. Die HANNOVER MESSE gilt als die Weltleitmesse der Industrie. Ihr diesjähriger Schwerpunkt…

Peptide auf interstellarem Eis

Dass einfache Peptide auf kosmischen Staubkörnern entstehen können, wurde vom Forschungsteam um Dr. Serge Krasnokutski vom Astrophysikalischen Labor des Max-Planck-Instituts für Astronomie an der Universität Jena bereits gezeigt. Bisher ging…

Wasserstoff-Produktion in der heimischen Garage

Forschungsteam der Frankfurt UAS entwickelt Prototyp für Privathaushalte: Förderzusage vom Land Hessen für 2. Projektphase. Wasserstoff als Energieträger der Zukunft ist nicht frei verfügbar, sondern muss aufwendig hergestellt werden. Das…

Partner & Förderer