Wie sich Krebszellen gegen Chemotherapeutika „immun“ machen

Schaubild

Wie sich Krebszellen dagegen wehren, dass eine Chemotherapie sie wirksam bekämpfen kann, ist das Forschungsthema von Jun.-Prof. Dr. Wing-Kee Lee, die an der Universität Witten/Herdecke arbeitet.

Sie hat zusammen mit Prof. Richard Kolesnick in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Cellular Signalling“ einen Übersichtsartikel dazu veröffentlicht (Lee, W.K., Kolesnick, RN (2017) Sphingolipid abnormalities in cancer multidrug resistance: Chicken or egg?) https://doi.org/10.1016/j.cellsig.2017.06.017. Diesen Aufsatz hat eine der wichtigsten Krebskliniken der USA, das Memorial Sloan-Kettering Cancer Center, nun auf seiner Internetseite als „Science Sparks“ hervorgehoben (https://library.mskcc.org/sparks/month/2017/8/) und damit als besonders wegweisend ausgezeichnet.

Zum Hintergrund:
Bei einer Chemotherapie werden die Patienten mit Zellgiften behandelt, die die Krebszellen zerstören sollen. Nun gelingt es den Krebszellen offenbar, sich dagegen zu wehren, sie entwickeln eine Resistenz, auch gegen mehrere Gifte gleichzeitig.

Für diese Multiresistenz wesentlich sind Eiweißverbindungen, die in der Zellmembran der Krebszellen enthalten sich und die auf den Namen ABCB1 hören. Das ABCB1 stößt Chemotherapeutika aus der Krebszelle aus und arbeitet besonders gut, wenn es in einem definierten Bereich der äußeren Fettschicht der Krebszelle, in einem sogenannten Lipidfloß, schwimmen kann. Diese Fette und besonders das Sphingolipid namens Sphingomyelin fördern die Aktivität des Abwehr-Eiweißes ABCB1.

Durch ihre bisherige und laufende Arbeit konnte Juniorprofessorin Lee nun neue Hypothesen aufstellen: Dass nämlich ABCB1 und Sphingolipide mehrfach zusammenspielen, damit Krebszellen die Multiresistenz in voller Kraft entwickeln können. Es gibt eine Anfangsphase, in der sich einige gesunde Zellen zu Krebszellen umwandeln. In dieser Phase werden beide, ABCB1 und Sphingomyelin, vermehrt produziert und die Zelle entwickelt eine erste, noch unvollständige Multiresistenz.

In der Weiterentwicklung der Krebszellen wird das Gleichgewicht von einem anderen Sphingolipid namens Glukosylceramid gestört. Dadurch wird die Anlieferung von ABCB1 an die Zellmembran beeinträchtigt und mehr ABCB1-Eiweiße bleiben festsitzend in der Zelle statt an der Außenschicht. Dennoch ist das ABCB1 noch aktiv und fängt nun Chemotherapeutika auch von innen heraus ein. Zusammenfassend können ABCB1 und Sphingolipide durch zwei Mechanismen, nämlich Ausstoß und Fangen von Chemotherapeutika, den Wendepunkt zur Entwicklung einer vollstandigen Multiresistenz der Krebszellen darstellen.

Alle bisherigen Versuche, die Chemotherapie wirksamer zu machen, indem man Wirkstoffe gegen das ABCB1 in die Chemotherapie einbezog, sind daran gescheitert, dass dieses Eiweiß auch in gesunden Zellen vorkommt und die ABCB1-Hemmer zu starken Unverträglichkeiten führten. Mit der neuen Erkenntnis zur Bedeutung der Sphingolipide könnte die weitere Forschung nun vielleicht einen Weg zur besseren Wirksamkeit von Chemotherapien finden.

Der Co-Autor des Aufsatzes von Juniorprofessor Lee, Prof. Richard Kolesnick, spricht am 5. Dezember 2017 im Rahmen der ZBAF Seminarreihe zu den Themen „biologische Grundlagen zum Krebs“ und „Krebstherapieresistenz“ an der Universität Witten/Herdecke.

Weitere Informationen bei Jun.-Prof. Dr. Wing-Kee Lee, 02302 / 926-309, Wing-Kee.Lee@uni-wh.de

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