Wie sich die Tomate den pflanzlichen Parasiten Teufelszwirn vom Stängel hält

Bei der Buntnessel gelingt dem Teufelszwirn die Infektion. Mit seinen Saugorganen, den Haustorien, entzieht er der Wirtspflanze Nährstoffe, Wasser und Kohlenhydrate. Foto: Ursula Fürst/ZMBP, Universität Tübingen

Weltweit gibt es mehr als 4.500 Pflanzenarten, die parasitisch von und auf anderen Pflanzen leben. Im Nutzpflanzenanbau richten einige dieser Arten großen Schaden an, bis hin zum vollständigen Ernteverlust. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Arbeitsgruppe von Dr. Markus Albert vom Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen (ZMBP) der Universität Tübingen haben in Kooperation mit Professor Cyril Zipfel und Matthew Smoker vom Sainsbury Laboratory im englischen Norwich nun untersucht, wie einige Pflanzenarten durch eine natürliche Resistenz pflanzliche Parasiten abwehren können.

Ihre Forschungsobjekte sind Kultursorten der Tomate, bei denen der Parasit Teufelszwirn vergeblich seine Saugorgane zu den Leitgeweben ausstreckt. Die Forscher entdeckten ein Gen bei der Tomate, das ihr die Erkennung des Teufelszwirns ermöglicht und einen Mechanismus der angeborenen Immunität in Gang setzt.

Dieser war bisher nur aus der Abwehr der Pflanze gegen mikrobielle Krankheitserreger, Insekten oder Spinnentiere bekannt. Die Ergebnisse geben neue Hinweise, wie Nutzpflanzen besser gegen pflanzliche Parasiten geschützt werden können. Die Studie erscheint in der Fachzeitschrift Science.

Als Teufelszwirn oder Seide werden Pflanzen der Gattung Cuscuta bezeichnet, die alle parasitisch auf anderen Pflanzen leben. Ohne Blätter und Wurzeln winden sie sich um die Sprosse meist krautiger, zweikeimblättriger Pflanzen und infizieren diese, indem sie mit speziellen Saugorganen, den Haustorien, einen Kontakt zu deren Leitgeweben herstellen.

Über diese Verbindung entziehen die Parasiten dem Wirt Nährstoffe, Wasser und auch Kohlenhydrate. Die stark geschwächte Pflanze stirbt meist ab, ohne Samen und Früchte auszubilden. Als eine der wenigen resistenten Arten lässt die Tomate (Solanum lycopersicum) die Cuscuta-Haustorien nicht in ihren Spross einwachsen, indem sie ein korkig-holziges Schutzgewebe bildet. In diesem Fall stirbt der Teufelszwirn ab, weil er nicht an die notwendigen Nährstoffe kommt.

Dem Forscherteam gelang es mithilfe von Kreuzungen der Kulturtomate und einer wilden Tomatenart (Solanum pennellii), ein für die Resistenz gegen den Teufelszwirn mitverantwortliches Gen zu entdecken und zu isolieren. „Im Erbgut der Tomate kodiert es für einen Rezeptor, der auf der Oberfläche der Tomatenzellen sitzt“, erklärt Markus Albert. „Er erkennt ein molekulares Muster des Teufelszwirns.“

Habe der Rezeptor das Signal von der Ankunft des Parasiten erhalten, funktioniere er als molekularer Schalter, der bestimmte Immunantworten der Tomate auslöse. Das führe zu einer gesteigerten Resistenz der unfreiwilligen Wirtspflanze. „Die Tomatenpflanze erkennt Pflanzenparasiten in ganz ähnlicher Weise, wie sie auch eindringende Bakterien wahrnehmen kann“, sagt der Wissenschaftler.

Dies sei überraschend, weil sich Parasit und Wirt als Pflanzen aus Sicht der Evolution sehr nahe stehen – „zumindest im Vergleich mit den Modellen Pflanze und Mikrobe oder Pflanze und Insekt“, sagt Albert. Bisher seien ein Mechanismus, mit dem Pflanzen andere Pflanzen als fremd erkennen, beziehungsweise molekulare Muster, die eine parasitische Pflanze als fremd kennzeichnen, unbekannt gewesen.

Durch die neuen Ergebnisse habe man nun in der Grundlagenforschung bessere Ansatzpunkte, den Dialog zwischen Pflanzen auf zellulärer Ebene zu verstehen. „Außerdem stehen durch diese Entdeckung Pflanzenforschern neue Möglichkeiten zur Verfügung, Nutzpflanzen zu kreieren, die für parasitische Pflanzen weniger anfällig sind.“

Publikation:
Volker Hegenauer, Ursula Fürst, Bettina Kaiser, Matthew Smoker, Cyril Zipfel, Georg Felix, Mark Stahl und Markus Albert: Detection of the Plant Parasite Cuscuta reflexa by a Tomato Cell Surface Receptor. Science, 29. Juli 2016. Doi: 10.1126/science.aaf3919

Kontakt:
Dr. Markus Albert
Universität Tübingen
Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen (ZMBP)
Telefon +49 7071 29-76669
Mobil: +49 176 25252196
markus.albert[at]uni-tuebingen.de

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Antje Karbe Eberhard Karls Universität Tübingen

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