Wie Seesterne die Welt mit anderen Augen sehen, aber nicht riechen

Auge des Dornenkronenseesterns, deutlich zu erkennen als roter Punkt an der Spitze des Armes. Foto: Hannes Imhof, Universität Bayreuth; mit Autorangabe zur Veröffentlichung frei.

Eine Plage für die indopazifischen Korallenriffe: Wie Dornenkronenseesterne ihre Futterplätze finden

Seesterne sind nicht gerade für ihre Sinnesleistungen bekannt. Generell haben sie weniger Sinnesorgane als beispielsweise der Mensch. Es fehlt ihnen zudem ein Gehirn, das als Schaltzentrale Informationen aus der Umwelt verarbeitet. Es wurde bisher angenommen, dass sich die Tiere bei ihren langsamen Bewegungen hauptsächlich auf ihren Geruchssinn (chemische Wahrnehmung) verlassen.

Die Rolle der anderen Sinne hingegen war unbekannt. Um die Sinnesorgane bei Seesternen zu untersuchen, widmete sich eine Bayreuther Forschergruppe um Prof. Dr. Christian Laforsch einem Seestern mit einem besonders schlechten Ruf: dem Dornenkronenseestern Acanthaster planci.

Dieser Dornenkronenseestern, der sich fast ausschließlich von Korallen ernährt, stellt für seinen natürlichen Lebensraum, die Riffe im Indischen und im Pazifischen Ozean, eine große Bedrohung dar: Er tritt immer wieder in Massenvorkommen auf, bei denen Tausende dieser Tiere ganze Riffe kahlfressen können. Damit stellt er nach tropischen Wirbelstürmen die zweithäufigste Ursache für Korallensterben dar und wird deshalb auch als Plage massiv bekämpft.

Obwohl dieses Tier zu den meistuntersuchten Organismen im Meer zählt, ist über seine Sinnesleistungen überraschend wenig bekannt. Bei Dornenkronenseesternen ging man zum Beispiel lange davon aus, dass sie die Korallenriffe in erster Linie durch chemische Stoffe, die von Korallen abgegeben werden, wahrnehmen und so ihre Nahrungsgründe gezielt aufsuchen. Ihrem Tast- und Sehsinn hingegen konnte bisher kaum eine konkrete Funktion zugeordnet werden. Man ging davon aus, dass die Augen lediglich zur Unterscheidung von hell und dunkel dienen und damit wichtig für die Tag-Nacht-Aktivität des Seesterns sind.

Eine Studie der Universität Bayreuth, die jetzt in der Fachzeitschrift ‚Scientific Reports‘ veröffentlicht wurde, rückt jedoch den Sehsinn als Sinnesorgan des Seesterns in ein anderes Licht: Die Augen sind zu viel mehr fähig als der bloßen Tag-Nacht-Wahrnehmung. Der Seestern kann damit auch Futterplätze oder Verstecke finden. Das Futter, die Korallen, zu riechen – dies funktioniert dagegen nur aus nächster Nähe.

Dem Dornenkronenseestern tief in die Augen geschaut: Untersuchungen zum räumlichen Auflösungsvermögen

Um die Sinnesleistungen des Dornenkronenseesterns zu verstehen, haben die Bayreuther Wissenschaftler zunächst seine Augen genau analysiert. An der Spitze jeder seiner bis zu 21 Arme befindet sich ein kleines Komplexauge. Dieses besteht, ähnlich einem Insektenauge, aus zahlreichen Einzelaugen.

Die Augen, so berechneten die Forscher, haben ein sehr geringes räumliches Auflösungsvermögen. Es ermöglicht dem Seestern lediglich, ein 1 Meter großes Objekt aus fünf Metern Entfernung gerade noch zu erkennen. Damit sieht der Seestern statt des bunten, vielfältigen Riffs lediglich dunkle Schatten. Er sieht also wesentlich schlechter als beispielsweise ein Mensch oder ein Raubtier, aber dennoch alles was er sehen muss, um Nahrung und Verstecke zu finden. Die große Anzahl an augenbewehrten Armen ermöglicht dem Seestern zudem einen kompletten Rundumblick, so dass er seine gesamte Umwelt zeitgleich sehen kann.

Vergleiche von sehenden und blinden Tieren: Wie der Geruchssinn allein in die Irre führt

Um herauszufinden, ob der Geruchs- oder Sehsinn für die Tiere wichtiger ist, setzten die Wissenschaftler sehende und blinde Dornenkronenseesterne in verschiedenen Entfernungen vor einem Korallenblock aus. Den blinden Tieren wurden die Augen vorher unter Betäubung chirurgisch entfernt. Seesterne können ganze Arme inklusive der Augen einfach wieder nachwachsen lassen, denn auch in der Natur verlieren sie häufig Arme oder größere Teile ihres Körpers an Fressfeinde.

Anschließend beobachteten die Wissenschaftler die Tiere und notierten, ob sie die Riffstruktur fanden. Die blinden Tiere konnten sich dabei nur auf ihren Geruchssinn verlassen. Unerwarteter Weise fanden lediglich sehende Tiere das Riff, die blinden liefen meist in die entgegengesetzte Richtung, der vorherrschenden Strömung folgend. Für die Bayreuther Forscher ein klares Zeichen: Dornenkronenseesterne benutzen ihre Augen und nicht ihren Geruchssinn, um ein Riff zu finden.

Diese Erkenntnisse zur Orientierung der Dornenkronenseesterne sind wichtig, um zu verstehen, wie sie sich über weite Gebiete ausbreiten. Somit könnten die Ergebnisse der Forscher auf lange Sicht dazu beitragen, die Massenvorkommen der Dornenkronenseesterne einzudämmen und dadurch einen Beitrag zur Erhaltung der Korallenriffe zu leisten.

Veröffentlichung:

Robert Sigl, Sebastian Steibl and Christian Laforsch,
The role of vision for navigation in the crown-of-thorns seastar, Acanthaster planci.
Sci. Rep. 6, 30834; doi: 10.1038/srep30834 (2016).

Kontakt:

Prof. Dr. Christian Laforsch
Lehrstuhl für Tierökologie I
Universität Bayreuth
Universitätsstraße 30
95447 Bayreuth
Tel.: +49 (0)921 / 55-2650
E-Mail: christian.laforsch@uni-bayreuth.de

Media Contact

Christian Wißler Universität Bayreuth

Weitere Informationen:

http://www.uni-bayreuth.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neues topologisches Metamaterial verstärkt Schallwellen exponentiell

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am niederländischen Forschungsinstitut AMOLF haben in einer internationalen Kollaboration ein neuartiges Metamaterial entwickelt, durch das sich Schallwellen auf völlig neue Art und Weise ausbreiten können. Das Metamaterial…

Astronomen entdecken starke Magnetfelder

… am Rand des zentralen schwarzen Lochs der Milchstraße. Ein neues Bild des Event Horizon Telescope (EHT) hat starke und geordnete Magnetfelder aufgespürt, die vom Rand des supermassereichen schwarzen Lochs…

Faktor für die Gehirnexpansion beim Menschen

Was unterscheidet uns Menschen von anderen Lebewesen? Der Schlüssel liegt im Neokortex, der äußeren Schicht des Gehirns. Diese Gehirnregion ermöglicht uns abstraktes Denken, Kunst und komplexe Sprache. Ein internationales Forschungsteam…

Partner & Förderer