Wie Fische in Salzwasser überleben: Forscher untersuchen Wechselwirkung von Molekülen

Forscher studieren die molekularen Prozesse, mit denen Fische sich an die rauhen Bedingungen in Salzwasser anpassen können © Y. Nagata / MPI-P

TMAO und Harnstoff sind Moleküle, die den osmotischen Druck in lebenden Zellen beeinflussen, sogenannte Osmolyte. Durch eine hohe Konzentration von TMAO und Harnstoff können Seetiere den osmotischen Druck in ihren Zellen auf einem Wert halten, der vergleichbar mit dem des umgebenden Salzwassers ist. Zusätzlich zu ihrer osmotischen Wirkung haben die beiden Moleküle noch Nebeneffekte auf die in den Zellen vorhandenen Proteine. Auf der einen Seite destabilisiert Harnstoff die Proteine in den Zellen und sorgt damit für ein Absterben der Zellen. Auf der anderen Seite stabilisiert eine nicht zu große Menge TMAO die Proteine.

In lebenden Zellen sind sowohl TMAO als auch Harnstoff in einem Verhältnis von 1:2 (TMAO:Harnstoff) zu finden, und es wird angenommen dass beide Moleküle eine Bindung ausbilden. Während jedes einzelne Molekül auf die Proteine einer Zelle stabilisierend bzw. destabilisierend wirkt, wechselwirkt die Kombination der beiden Moleküle nicht mehr mit den Proteinen – der Effekt wird also durch die Verbindung der Moleküle aufgehoben.

Die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung haben nun zusammen mit Wissenschaftlern aus Japan, China und den USA untersucht, wie genau sich die beiden Moleküle verbinden. Bisher wurde davon ausgegangen, dass sich die beiden Moleküle durch eine Wechselwirkung des in Harnstoff vorhandenen Wasserstoff-Atoms sowie des in TMAO vorhandenen Sauerstoff-Atoms durch sogenannte Wasserstoffbrückenbindungen verbinden. Im Gegensatz dazu haben andere experimentelle Untersuchungen gezeigt, dass die beiden Moleküle keine Wasserstoffbrückenbindungen auszubilden scheinen.

Um das Rätsel zu lösen haben die Forscher nun die intermolekularen Wechselwirkungen sowohl theoretisch als auch experimentell untersucht. In ihrer Arbeit haben sie in Wasser gelöste TMAO- und Harnstoff-Moleküle untersucht. Dies stellte eine erste Herausforderung dar, da die Moleküle sich in Wasser schnell bewegen und daher eine Messung der molekularen Bindungen schwierig ist. Daher haben die Forscher zunächst Computersimulationen der beiden Moleküle durchgeführt, um hiermit die Bindungseigenschaften theoretisch zu beschreiben.

Um ihre theoretischen Ergebnisse zu bestätigen haben die Wissenschaftler im Anschluss daran spektroskopische Messungen im Infrarotbereich sowie magnetresonanzspektroskopische Messungen durchgeführt, die sie mit den theoretischen Ergebnissen vergleichen konnten.

Basierend auf der Übereinstimmung von Messung und Simulation stellten die Forscher fest, dass TMAO und Harnstoff keine Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden, wenn sie in Wasser gelöst werden. Sie konnten zeigen, dass das Sauerstoff-Atom von TMAO nicht mit dem Wasserstoff-Atom von Harnstoff wechselwirkt, jedoch eine Bindung mit dem Wasserstoff-Atom von Wasser eingeht.

Daher ist das Sauerstoff-Atom von TMAO bereits mit Wasser verbunden, steht also nicht mehr für eine Verbindung mit Harnstoff zur Verfügung. Um die interzellulären Proteine jedoch zu schützen müssen sich beide Moleküle trotzdem verbinden – jedoch, wie die Forscher zeigen konnten – durch eine Verbindung an einer anderen Stelle des TMAO-Moleküls, die einen wasserabweisenden (hydrophoben) Charakter hat.

Das molekulare Verständnis, wie Moleküle in Zellen die Struktur von Proteinen kontrollieren, ist der Schlüssel zum Verständnis der biologischen Wirkung dieser Moleküle. Die Resultate ihrer Forschung haben die Wissenschaftler nun in dem Journal „Chem“ veröffentlicht.

Max-Planck-Institut für Polymerforschung

Das Max-Planck-Institut für Polymerforschung (MPI-P) zählt zu den international führenden Forschungszentren auf dem Gebiet der Polymerforschung. Durch die Fokussierung auf weiche Materie und makromolekulare Materialien ist das MPI-P mit seiner Forschungsausrichtung weltweit einzigartig. Seine Aufgabe ist es, neue Polymere herzustellen und zu charakterisieren. Zum Aufgabengebiet gehört auch die Untersuchung ihrer physikalischen und chemischen Eigenschaften. Das MPI-P wurde 1984 gegründet. Es beschäftigt mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem In- und Ausland, von denen die große Mehrzahl mit Forschungsaufgaben befasst ist.

Dr. Yuki Nagata | Molekulare Spektroskopie | nagata@mpip-mainz.mpg.de
Dr. Johannes Hunger | Molekulare Spektroskopie | hunger@mpip-mainz.mpg.de

https://doi.org/10.1016/j.chempr.2018.08.020

https://asunaroyuki.wixsite.com/sstgroup – Webseite von Dr. Yuki Nagata
https://www.mpip-mainz.mpg.de/liquid-dynamics – Webseite von Dr. Johannes Hunger

Media Contact

Dr. Christian Schneider Max-Planck-Institut für Polymerforschung

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Ideen für die Zukunft

TU Berlin präsentiert sich vom 22. bis 26. April 2024 mit neun Projekten auf der Hannover Messe 2024. Die HANNOVER MESSE gilt als die Weltleitmesse der Industrie. Ihr diesjähriger Schwerpunkt…

Peptide auf interstellarem Eis

Dass einfache Peptide auf kosmischen Staubkörnern entstehen können, wurde vom Forschungsteam um Dr. Serge Krasnokutski vom Astrophysikalischen Labor des Max-Planck-Instituts für Astronomie an der Universität Jena bereits gezeigt. Bisher ging…

Wasserstoff-Produktion in der heimischen Garage

Forschungsteam der Frankfurt UAS entwickelt Prototyp für Privathaushalte: Förderzusage vom Land Hessen für 2. Projektphase. Wasserstoff als Energieträger der Zukunft ist nicht frei verfügbar, sondern muss aufwendig hergestellt werden. Das…

Partner & Förderer