Wie die Kraftwerke der Zelle ihre Form erhalten

Das Zellskelett (graue Linien) beeinflusst die Fusion der Mitochondrien.Es teilt sie in faserige Netzstrukturen (blau) und kleinere Fragmente (rot) und formt so deren Netzwerk. © HZI / Sukhorukov

Mit einem neuen mathematischen Modell haben System-Biologen am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig nun beschrieben, welche Mechanismen an der Bildung und Aufrechterhaltung der dynamischen Mitochondrien-Netzwerke in Zellen beteiligt sind.

Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler jetzt im Journal „Scientific Reports“.

Eine Besonderheit der Mitochondrien ist ihr ausgeprägtes dynamisches Verhalten innerhalb der Zelle. Sie bilden ein Netzwerk, welches sich im Minutentakt verändert, da sich die Mitochondrien teilen und wieder miteinander fusionieren. Ihre räumliche Struktur beeinflusst dabei maßgeblich, wie effektiv sie Energie bereitstellen können:

Faserige Netzstrukturen produzieren viel Energie, kleinere Fragmente sind weniger effektiv „Auch bei der Zellalterung spielen solche Prozesse eine Rolle. Gestresste oder geschädigte Mitochondrien werden fragmentiert und anschließend entsorgt“, sagt Valerii Sukhorukov, Wissenschaftler in der Abteilung System-Immunologie am HZI und Erstautor der Studie.

Wie entsteht aber die dynamische Balance zwischen den kleinen Fragmenten und den effektiven Fasern der Mitochondrien? Das war eine wichtige Frage, die sich die Forscher gestellt haben. „Solche Mechanismen können nicht allein über biochemische Analysen studiert werden. Man braucht dafür modellbasierte Simulationen am Computer, die die dynamischen Veränderungen in der Zelle gut erklären“, sagt Prof. Michael Meyer-Hermann, Leiter der Abteilung System-Immunologie.

Dazu entwickelten die Wissenschaftler ein erstes mathematisches Modell, welches sich auf die unterschiedlichen Längen der Mitochondrien-Fragmente in linearer oder verzweigter Anordnung stützte. Das zentrale Resultat der Untersuchung ist, dass eine exakte Beschreibung der Mitochondrien in der Zelle erst durch die Berücksichtigung der zufälligen Bewegung der Mitochondrien entlang der Fasern des Zellskeletts, den Mikrotubuli, möglich wurde. Daraus entstand ein sogenanntes Graphenmodell, das auf der Dichte der Mikrotubuli und ihrer Überkreuzungen in der Zelle beruht. Es beschreibt alle bisher experimentell gefundenen Formen von Mitochondrien und liefert auch Erklärungen für bisher unverstandene Ereignisse.

Sukhorukov und seine Kollegen möchten in Zukunft das neue mathematische Modell verwenden, um die Qualitätskontrolle der fragmentierten Mitochondrien zu analysieren und zu verstehen, wie die Zellen Schäden in Mitochondrien kontrollieren oder beseitigen. „Dies wäre sehr wichtig, um zu verstehen, wie Zellen ihren Energiehaushalt trotz einer Ansammlung von Schäden mit dem Alter kontrollieren. Daraus könnten wir Rückschlüsse über bestimmte genetisch bedingte Krankheiten wie Parkinson und über Alterungsprozesse im Immunsystem ziehen“, sagt Sukhorukov.

Originalpublikation:
Valerii M. Sukhorukov, Michael Meyer-Hermann. Structural Heterogeneity of the Mitochondria Induced by the Microtubule Cytoskleleton. Scientific Reports. 2015 Sep 11. 5:13924. DOI: 10.1038/srep13924

Die Abteilung „System-Immunologie“ des HZI befasst sich mit der mathematischen Modellierung von immunologischen Fragestellungen. Die Abteilung ist mit dem Braunschweig Integrated Centre for Systems Biology (BRICS) assoziiert, einem neuen Forschungszentrum für Systembiologie, das gemeinsam vom HZI und der Technischen Universität Braunschweig gegründet wurde.

Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:
Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen Wissenschaftler die Mechanismen von Infektionen und ihrer Abwehr. Was Bakterien oder Viren zu Krankheitserregern macht: Das zu verstehen soll den Schlüssel zur Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe liefern. An seinem Standort in Braunschweig-Stöckheim blickt das Zentrum auf eine jahrzehntelange Historie zurück. Bereits 1965 begannen hier die ersten Arbeiten; 2015 feiert das HZI 50-jähriges Jubiläum. http://www.helmholtz-hzi.de

http://www.helmholtz-hzi.de/de/aktuelles/news/ansicht/article/complete/wie_die_k… – Diese Pressemitteilung auf helmholtz-hzi.de
http://dx.doi.org/10.1038/srep13924 – Link zur Originalpublikation

Media Contact

Susanne Thiele Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Erstmals 6G-Mobilfunk in Alpen getestet

Forschende der Universität Stuttgart erzielen leistungsstärkste Verbindung. Notrufe selbst in entlegenen Gegenden absetzen und dabei hohe Datenmengen in Echtzeit übertragen? Das soll möglich werden mit der sechsten Mobilfunkgeneration – kurz…

Neues Sensornetzwerk registriert ungewöhnliches Schwarmbeben im Vogtland

Das soeben fertig installierte Überwachungsnetz aus seismischen Sensoren in Bohrlöchern zeichnete Tausende Erdbebensignale auf – ein einzigartiger Datensatz zur Erforschung der Ursache von Schwarmbeben. Seit dem 20. März registriert ein…

Bestandsmanagement optimieren

Crateflow ermöglicht präzise KI-basierte Nachfrageprognosen. Eine zentrale Herausforderung für Unternehmen liegt darin, Über- und Unterbestände zu kontrollieren und Lieferketten störungsresistent zu gestalten. Dabei helfen Nachfrage-Prognosen, die Faktoren wie Lagerbestände, Bestellmengen,…

Partner & Förderer