Wegweiser für die Wundheilung: Erstmals Kleeblattpeptid synthetisiert

Studien haben gezeigt, dass Kleeblattpeptide vor allem bei Entzündungen und Verletzungen des Magen-Darm-Trakts lokal produziert werden, um die Wundheilung zu beschleunigen. © Universität Wien

Die faszinierende Familie der Kleeblattpeptide gilt in der Forschung wie auch Industrie als großer Hoffnungsträger, chronische Erkrankungen wie z.B. Morbus Crohn künftig heilen zu können. Einem Team um ERC-Preisträger Markus Muttenthaler von der Fakultät für Chemie der Universität Wien ist es nun erstmals gelungen, das vor allem in der Magenschleimhaut gebildete Peptid TFF1 zu synthetisieren.

Die chemische Synthese von Magen-Darm-Peptiden ist ein wegweisender Schritt, um ihre Wirkmechanismen besser verstehen und ihr therapeutisches Potenzial nutzen zu können. Die Studie erschien in „Chemical Communications“.

Die drei bekannten Kleeblattpeptide – Trefoil-Faktor-Peptide TFF1, TFF2 und TFF3 – werden vor allem von der Magen-Darm-Schleimhaut produziert. Die nach ihrer kleeblattähnlichen Faltstruktur benannten Molekülen haben klinisch höchst interessante Eigenschaften:

Studien haben gezeigt, dass diese Peptide vor allem bei Entzündungen und Verletzungen des Magen-Darm-Trakts lokal produziert werden, um die Wundheilung zu beschleunigen. Deshalb haben sie auch ein vielversprechendes therapeutisches Potenzial bei gastrointestinalen und anderen Schleimhauterkrankungen, etwa bei Augenleiden oder Asthma, wie das Team um Markus Muttenthaler in einem ebenfalls erschienenen Übersichtsartikel in „ACS Pharmacology & Translational Science“ darlegt.

Lokale Wirkung

„Es gibt heute schon zwei Peptidmedikamente auf dem Markt, die oral gegen Erkrankungen wie etwa das Reizdarmsyndrom verabreicht werden können“, sagt Medizinchemiker Muttenthaler: „Da die Peptidmoleküle relativ groß sind, werden sie nicht über die Darmwand in die Blutbahn aufgenommen und wirken somit lokal im Magen-Darm-Trakt ohne größere Nebenwirkungen.“

Die Kleeblattpeptide sind ein zentraler Ausgangspunkt, „um neue Behandlungsstrategien für chronische Erkrankungen zu finden, wo es bis jetzt noch keine Heilung gibt“, so der Forscher, der Arbeitsgruppen am Institut für Biologische Chemie der Universität Wien sowie an der University of Queensland in Brisbane leitet.

Die aktuellen Studien fanden im Rahmen von Muttenthalers ERC Starting Grant-Projekt statt, dessen Ziel es ist, die Mechanismen der Wundheilung im Magen-Darm-Trakt aufzuklären: „Mit der chemischen Synthese der TFF-Peptide können wir fundamentale Fragen beantworten, die wir vorher noch nicht beantworten konnten.“

TFF1 agiert im Doppelpack

In ihrer Studie beschreiben die Forscher*innen den chemischen Syntheseweg des Peptids TFF1 sowie seines sogenannten Homodimers, also einem Molekül, das aus zwei gleichen TFF1-Untereinheiten besteht. Denn das Kleeblattpeptid TFF1 kann, wie die Studie ebenfalls zeigte, nur in dieser Art „Doppelpack“ seine Schutz- und Heilungsfunktion entfalten: In dieser Form vernetzt es Mucine, Struktur-Bestandteile der Magenschleimhaut, wodurch die Magenbarriere geschlossen und die Wundheilung beschleunigt wird.

Eine große Herausforderung bei der TFF1-Synthese lag in der Länge des Kleeblattpeptids. Mit seinen 60 Aminosäuren ist es zu lang für eine einfache Peptidsynthese: „Wir haben einen Weg gefunden, das Peptid in zwei Teilen zu synthetisieren und anschließend zusammenzusetzen“, so Muttenthaler. Die zweite Herausforderung war es, die richtige Faltung des Peptids – aus einer Fülle von Möglichkeiten – herauszufinden.

Das synthetisierte TFF1 war letztendlich das passende Schlüsselpeptid, um mit der Magenschleimhaut zu interagieren. Das Team um Muttenthaler arbeitet derzeit an der chemischen Synthese von TFF3, einem ähnlich langen Peptid wie TFF1, sowie von dem mit 106 Aminosäuren deutlich längeren und komplexer gefalteten TFF2.

Synthese bringt Spielraum

Die chemische Synthese der Kleeblattpeptide eröffnet mehr Spielraum beim Design dieser bioaktiven Moleküle: Bisher war es nur möglich, Kleeblattpeptide rekombinant zu produzieren. „Das Design dieser Peptide war damit durch die rekombinante Produktion auf die 20 natürlichen Aminosäuren limitiert. Mit der chemischen Synthese haben wir jetzt viel mehr Möglichkeiten TFF1 zu modifizieren, um molekulare Sonden zu entwickeln oder es für den Einsatz als Medikament zu optimieren“, so Muttenthaler.

Molekulare Sonden sind wichtig, um den Wirkmechanismus von TFF1 besser untersuchen zu können. Eingebaute Bausteine im Molekülkomplex, z.B. fluoreszierende Moleküle, helfen zu beobachten, mit welchen Proteinen oder Rezeptoren TFF1 in Wechselwirkung geht. Selbst an der schon relativ guten Stabilität der Peptide kann noch etwas gedreht werden, um sie z.B. als Wirkstoffe noch widerstandfähiger gegen eine zu schnelle Verdauung zu machen.

Publikation in „Chemical Communications“:
Chemical synthesis of human trefoil factor 1(TFF1) and its homodimer provides novel insights into their mechanisms of action. Nayara Braga Emidio, Hayeon Baik, David Lee, René Stürmer, Jörn Heuer, Alysha G. Elliott, Mark A. T. Blaskovich, Katharina Haupenthal, Nicole Tegtmeyer, Werner Hoffmann, Christina I. Schroeder und Markus Muttenthaler, in: Chemical Communications, 2020, DOI: 10.1039/D0CC02321C

Trefoil factor family in the gastrointestinal tract: structure, function and therapeutic potential. Nayara Braga Emidio, Stuart M. Brierley, Christina I. Schroeder und Markus Muttenthaler, in: ACS Pharmacology & Translational Science, 2020, DOI: 10.1021/acsptsci.0c00023

Assoz.-Prof. Dipl.-Ing. Markus Muttenthaler
Institut für Biologische Chemie
Universität Wien
1090 – Wien, Währinger Straße 38
+43-1-4277-705 15
markus.muttenthaler@univie.ac.at

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