Wandelbare Wasserflöhe – Das „ökologisch-responsive“ Genom von Daphnia ist entschlüsselt

Während etwa auch der Mensch nur auf ungefähr 23.000 Gene kommt, verfügt Daphnia pulex über etwa 31.000 Gene. Diese hohe Zahl erklärt sich daraus, dass während der Evolution der Wasserflöhe deren Gene häufiger dupliziert wurden als bei anderen Wirbellosen.

Unter bestimmten Umweltbedingungen standen sie dann für die Entwicklung neuer Funktionen zur Verfügung und verleihen den Tieren auch ihre außergewöhnliche Anpassungsfähigkeit. Immerhin ein Drittel der Gene erwies sich als komplett neu und – wie die Untersuchungen der LMU-Forscher zeigten – als besonders aktiv bei ökologischem Stress. (Science online, 4. Februar 2011)

Für die nun vorliegende Entschlüsselung des Daphnia-Genoms unter der Leitung von Dr. John Colbourne, Indiana University Bloomington, USA, untersuchten die LMU-Wissenschaftler Professor Christian Laforsch vom Department Biologie II sowie Dr. Georg J. Arnold und Dr. Thomas Fröhlich vom Laboratorium für funktionale Genomanalyse (LAFUGA) am Genzentrum der LMU die genetische Aktivität von Daphnia pulex.

Mit Hilfe fortgeschrittener massenspektrometrischer Verfahren der Proteinanalyse konnten sie die Produkte aktiver Gene nachweisen und identifizieren. Sogenannte Transkriptionsanalysen, die unter Mitwirkung von Laforsch durchgeführt wurden, wiesen dann nach, dass die neuen Gene besonders aktiv sind, wenn die Wasserflöhe umweltbedingtem Stress ausgesetzt sind: Sie spielen also vermutlich eine wichtige Funktion bei der Anpassung an wechselnde Umweltbedingungen.

„Als zentraler Baustein der Nahrungskette ist der Wasserfloh eine Schlüsselspezies in Süßwasserökosystemen“, sagt Laforsch. „Er reagiert aber auch so sensitiv auf Giftstoffe in der Umwelt, dass er als Indikator für Auswirkungen von Umweltveränderungen gilt. Da zudem über Wasserflöhe eine Fülle von ökologischen und evolutionsbiologischen Erkenntnissen vorliegen, bietet sich Daphnia als idealer Modellorganismus an, um die genetischen Grundlagen der Anpassung an diverse Umweltfaktoren zu analysieren.“

In dieser Funktion könnte sich der Wasserfloh in den gesamten Lebenswissenschaften etablieren, weil das Genom dank der Entschlüsselung nun der Wissenschaft für detaillierte Untersuchungen zur Verfügung steht. So kann unter anderem analysiert werden, welche Genfunktionen mit welchen Merkmalen verbunden sind und welche Rolle die Gene bei der Anpassung an wechselnde Umweltbedingungen – etwa den Klimawandel – spielen. (göd)

Publikation:
The Ecoresponsive Genome of Daphnia pulex;
Colbourne, J.K., M.E. Pfrender, D. Gilbert, W.K. Thomas, A. Tucker, T.H. Oakley, S. Tokishita, A. Aerts, G.J. Arnold, M. Kumar Basu, D.J. Bauer, C.E. Cáceres, L. Carmel, C. Casola, J.-H. Choi, C. Detter, Q. Dong, S. Dusheyko, B.D. Eads, T. Fröhlich, K.A. Geiler-Samerotte, D. Gerlach, P. Hatcher, S. Jogdeo, J. Krijgsveld, E.V. Kriventseva, D. Kültz, C. Laforsch, E. Lindquist, J. Lopez, J.R. Manak, J. Muller, J. Pangilinan, R.P. Patwardhan, S. Pitluck, E.J. Pritham, A. Rechtsteiner, M. Rho, I.B. Rogozin, O. Sakarya, A. Salamov, S. Schaack, H. Shapiro, Y. Shiga, C. Skalitzky, Z. Smith, A. Souvorov, W. Sung, Z. Tang, D. Tsuchiya, H. Tu, H. Vos, M. Wang, Y.I. Wolf, H. Yamagata, T. Yamada, Y. Ye, J.R. Shaw, J. Andrews, T.J. Crease, H. Tang, S.M. Lucas, H.M. Robertson, P. Bork, E.V. Koonin, E.M. Zdobnov, I. Grigoriev, M. Lynch and J.L. Boore;

Science online, 4. Februar 2011

Ansprechpartner:
Professor Dr. Christian Laforsch
Department Biologie II der LMU
Tel.: 089 / 2180 – 74252
Fax: 089 / 2180 – 74204
E-Mail: laforsch@zi.biologie.uni-muenchen.de

Media Contact

Luise Dirscherl idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-muenchen.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer