Wachstumshormone der Pflanzen: Wenn Gegenspieler kooperieren

Die beiden wichtigsten Wachstumshormone von Pflanzen, die beim Wachstumspotential und bei der Ausbildung von Blättern oder Blüten bislang als Gegenspieler verstanden wurden, können durchaus auch synergetisch wirken. Die Wirkungen der Hormone Auxin und Cytokinin sind weitaus enger vernetzt als bislang angenommen. Das haben Wissenschaftler aus Heidelberg, Tübingen und Umea (Schweden) anhand von Experimenten an einem Modellorganismus der Biologie, der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana, nachgewiesen. Ihre Ergebnisse zum Wirkungsgeflecht von Pflanzenhormonen veröffentlicht das Forscherteam unter Leitung von Prof. Dr. Jan Lohmann, Stammzellbiologe an der Universität Heidelberg, in „Nature“.

Alle oberirdischen Teile einer Pflanze – Blätter, Blüten, Stängel und Samen – entspringen letztlich einem winzigen Gewebebereich an der Spitze des Sprosses. Die in ihm enthaltenen totipotenten Stammzellen bleiben während der gesamten Lebenszeit einer Pflanze aktiv. Im Gegensatz zu Tieren können Pflanzen daher über viele Jahre hinweg weiter wachsen und zugleich neue Organe ausbilden. In diesem Zusammenhang wirkt Auxin am Rand der Wachstumszone darauf hin, dass Zellen den Stammzellpool verlassen, sich differenzieren und zum Beispiel Blätter und Blüten bilden. Cytokinin dagegen regt die Stammzellen zu selbsterneuernden Teilungen an; seine Aufgabe ist es, die Zahl der Zellen und somit das Wachstumspotential der Pflanze aufrechtzuerhalten.

Über welche genetischen Faktoren das Cytokinin beim Wachstum der Pflanze seine Wirkung entfaltet, ist zum Teil bereits bekannt. Mit ihren komplexen Experimenten an der Ackerschmalwand, die sich auf die Wachstumszone an der Spitze des Sprosses konzentrieren, haben Prof. Lohmann und sein Team die Funktion des Auxin in diesem Wirkungsgeflecht der Hormone untersucht. Dabei hat sich gezeigt, dass sich Auxin direkt in eine „Rückkopplungsschleife“ einschaltet: Zwei von Cytokinin aktivierte Gene – ARR7 und ARR15 – begrenzen die Cytokinin-Wirkung. Auxin hingegen hemmt diese beiden Gene und verstärkt somit die Effekte von Cytokinin.

„Man kann die Rolle des Auxin als positive Rückmeldung an den Stammzellpool betrachten“, erläutert Prof. Lohmann. „Wenn es die Zellen am Rande der Wachstumszone zur Ausbildung von Organen anregt, muss es gleichzeitig dafür sorgen, dass genügend Stammzellen nachgeliefert werden.“ So wird verhindert, dass die Stammzellzahl unter eine kritische Grenze absinkt, was für Wachstum und Überleben der Pflanze von zentraler Bedeutung ist. „Wir beginnen allmählich zu verstehen, wie das Regelwerk von Hormonen und Genen ineinander greift, um die Aktivität der Wachstumszone aufrechtzuerhalten. Bereits jetzt ist klar, dass hormonelle und genetische Faktoren vielfach miteinander verschaltet sind und sich gegenseitig beeinflussen. Es gibt keine Solisten.“

Neben Jan Lohmann, Zhong Zhao und Andrej Miotk von der Abteilung für Stammzellbiologie am Institut für Zoologie der Universität Heidelberg sind an den Forschungsarbeiten auch Stig U. Andersen und Sebastian J. Schultheiss vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie und dem Friedrich-Miescher-Laboratorium in Tübingen beteiligt. Aus Schweden gehören dem Forscherteam Karin Ljung und Karel Dolezal vom Umea Plant Science Center an.

Originalveröffentlichung:
Z. Zhao, S.U. Andersen, K. Ljung, K. Dolezal, A. Miotk, S.J. Schultheiss, J.U. Lohmann: Hormonal control of the shoot stem-cell niche, Nature (24 June 2010), doi: 10.1038/nature09126
Kontakt:
Prof. Dr. Jan Lohmann
Institut für Zoologie
Telefon (06221) 54-6269
jlohmann@meristemania.org

Media Contact

Marietta Fuhrmann-Koch idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-heidelberg.de

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