Vor- und Nachteile der Genschere

Thorsten Müller forscht in Bochum mit sogenannten Organoiden aus Stammzellen, die wie ein Mini-Gehirn funktionieren. © RUB, Marquard (Dieses Foto darf nur für eine Berichterstattung mit Bezug zur Ruhr-Universität Bochum im Kontext dieser Presseinformation verwendet werden.)

Um Effekte von Genen zu untersuchen oder Genprodukte sichtbar zu machen, wurden diese früher künstlich überaktiviert „Sie lagen dann bis zu tausendmal häufiger vor als natürlicherweise“, so Thorsten Müller.

„Die Zelle wurde überflutet mit Genprodukten, den Proteinen, was die Analyse der Funktion verfälschen kann.“ Dieser Nachteil entfällt mit dem Crispr-Verfahren. Es kann dazu genutzt werden, Baupläne für fluoreszierende Proteine in Zellen einzuschleusen und diese hinter einem bestimmten Gen zu platzieren.

„Das ermöglicht es erstmals, die Funktion eines Proteins live unter natürlichen Bedingungen – und eben nicht nach 1.000-facher Überproduktion – zu verfolgen“, erklärt der Biochemiker.

Auch die Crispr-Methode selbst hat sich weiterentwickelt. Für die ersten Verfahren mussten Forscher mit großem Aufwand sogenannte Vektoren erstellen, um Gene im Erbgut zu markieren. Bei den Vektoren handelt es sich um DNA-Abschnitte, deren Sequenz teilweise identisch sein muss mit der DNA der Zielzelle, damit das einzuschleusende Gen den richtigen Platz findet.

Heute nutzt man die natürliche DNA-Reparaturfunktion der Zellen, was auch die Erstellung der Vektoren deutlich vereinfacht, und kann so schnell und einfach fluoreszierende Proteinen einbringen.

Wie Medikamente wirken

Die Fluoreszenzmarkierung ermöglicht es auch, live unter dem Mikroskop zu beobachten, wo in der Zelle sich die markierten Genprodukte befinden. „Das könnte zum Beispiel interessant sein, um die Effekte von Medikamenten auf bestimmte Genprodukte zu testen“, erläutert Müller. Dazu müssten die Forscher die Zelle mit dem Wirkstoff stimulieren und verfolgen, ob oder wie sich der Aufenthaltsort des Genprodukts ändert.

Verschiedene Gene können mit verschiedenfarbigen Fluoreszenzen markiert und parallel analysiert werden. Je stärker ein so markiertes Gen abgelesen wird, desto mehr fluoresziert die Zelle in der entsprechenden Farbe.

Organoide könnten Tierforschung ersetzen

Besonderes Potenzial für die Methode sehen die Autoren in der Kombination mit sogenannten Organoiden. Dabei handelt es sich um Mini-Organe aus induzierten pluripotenten Stammzellen, die man aus einem erwachsenden Organismus gewinnen kann. Damit lassen sich beispielsweise Mini-Gehirne bauen, die in funktioneller Hinsicht dem menschlichen Gehirn entsprechen.

Wenn die Crispr-Technik künftig auf Stammzellen zunehmend Anwendung findet, könnten Forscherinnen und Forscher die Effekte von Genmodifikationen nicht nur in isolierten Zellen, sondern in komplexen Gewebeverbänden untersuchen. „Wir könnten humane Gene live in dem Menschen ähnlichen Geweben untersuchen und wären deutlich weniger auf Tiermodelle angewiesen“, folgert Müller.

Ausgehend von diesen Überlegungen arbeiten Müller und Bukhari in dem Artikel eine Reihe von zentralen Forschungsfragen heraus, die beantwortet werden müssten, um die Crispr-Technik und die Organoid-Technik zusammenzubringen.

Privatdozent Dr. Thorsten Müller
Lehrstuhl Biochemie II
Fakultät für Chemie und Biochemie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 24404
E-Mail: thorsten.t.mueller@rub.de

Hassan Bukhari, Thorsten Müller: Endogenous fluorescence tagging by CRISPR, in: Trends in Cell Biology, 2019, DOI: 10.1016/j.tcb.2019.08.004

https://news.rub.de/wissenschaft/2019-04-30-biochemie-alzheimer-im-mini-gehirn

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Dr. Julia Weiler idw - Informationsdienst Wissenschaft

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