Vererbbare Genveränderungen bei Leukämie im Kleinkindesalter

Forscherinnen und Forscher am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Freiburg haben eine Verbindung hergestellt zwischen dem Auftreten einer seltenen Leukämie im Kindesalter, der so genannten juvenilen myelomonozytären Leukämie (JMML), und Entwicklungsstörungen unterschiedlicher Organsysteme. Die Entdeckung hat wichtige Auswirkungen für die Diagnostik und Therapie der JMML und eröffnet das Verständnis für die Entstehung der Entwicklungsstörungen der betroffenen Kinder. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Nature Genetics veröffentlicht.

Die JMML ist eine besonders bösartige Form der Leukämie bei Kindern. Sie tritt meist bei Kindern unter sechs Jahren auf und kann nur durch eine Transplantation von Knochenmark- oder Blutstammzellen geheilt werden. Leider haben etwa die Hälfte der Kinder mit JMML auch nach einer Transplantation Rückfälle der Leukämie. Im Gegensatz zu anderen Leukämieformen im Kindesalter sind bei JMML alle Arten von weißen Blutkörperchen vermehrt. Ursache für die Überproduktion der weißen Blutzellen sind Veränderungen, Mutationen, in Genen des so genannten RAS/MAPK-Signalwegs. Mutationen in diesem Signalweg finden sich auch bei etwa 30 Prozent aller Krebsarten, so dass die Erforschung der JMML auch für das Verständnis anderer Krebserkrankungen wichtig sein kann.

In aktuellen Arbeiten konnte das Freiburger Team zeigen, dass 15 Prozent der Kinder mit JMML Mutationen in einem Gen namens CBL aufweisen. Jetzt entdeckten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass die Genveränderungen des CBL Gens nicht nur in Blutzellen, sondern auch anderen Körperzellen vorhanden sind. Durch die Entstehung der Mutationen in den Zellen der Keimbahn, das heißt Eizellen oder Spermien, werden die Veränderungen an die Nachkommen vererbbar. So hatte in der Hälfte der Fälle auch ein Elternteil eine CBL-Mutation, in der anderen Hälfte war die Mutation in der Keimbahn des erkrankten Kindes erstmalig aufgetreten.

„Bei der JMML spielt die normale Entwicklung verrückt“, sagt Prof. Dr. Charlotte Niemeyer, Ärztliche Direktorin der Pädiatrischen Hämatologie und Onkologie des Universitätsklinikums Freiburg. In der Gruppe der 21 untersuchten Kinder mit JMML und CBL-Keimbahnmutationen fanden sich außergewöhnlich viele Kinder mit sprachlicher Entwicklungsverzögerung, Kleinwuchs, Hodenhochstand und Schwerhörigkeit. Die Forscher spekulieren, dass für die Entwicklung der betroffenen Organe eine normale Funktion von CBL eine wichtige Rolle spielen muss. „Besonders bemerkenswert war, dass einige der Patientinnen und Patienten die Leukämie im Kindesalter ohne Behandlung überlebten“, so Niemeyer. Diese Patienten entwickelten in Laufe der Jahre jedoch entzündliche Verengungen ihrer Blutgefäße mit Einschränkungen der Sehfähigkeit, Bluthochdruck und Organversagen.

Die jetzige Entdeckung, die in Zusammenarbeit mit Kollegen aus neun europäischen Ländern und der Arbeitsgruppe von Prof. Mignon Loh an der University of California San Francisco beschrieben wurde, gibt neue Einblicke, welche Faktoren für die Entstehung der JMML und möglicherweise auch für andere Leukämien entscheidend sind. Außerdem gibt sie wichtige Impulse für das Verständnis der regelhaften Entwicklung unterschiedlicher Organsysteme.

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