Verborgene Vielfalt der Laternenhaie von Wiener und Münchner Forschern entdeckt

Laternenhaie<br>(Foto: J. Kriwet/N. Straube)<br>

Diesen unwirtlichen Lebensraum bewohnen Laternenhaie, die bisher nahezu unerforscht sind. Die evolutiven Mechanismen, die Ursachen für ihre Eroberung der Tiefsee und ihre tatsächliche Artenvielfalt liegen noch weitgehend im Dunkeln. Jürgen Kriwet, Paläobiologe an der Universität Wien, hat zusammen mit zwei Kollegen aus München diese außerordentliche Fischgruppe untersucht.

Laternenhaie (Etmopteridae) sind eine sehr artenreiche Gruppe biolumineszenter Tiefseehaie, die normalerweise unterhalb 200 m und bis in Tiefen von über 2000 m vorkommen. Bisher sind 43 Arten bekannt, die alle kleinwüchsig sind und selten eine Körperlänge von einem Meter oder mehr überschreiten. Obwohl sie die diverseste Gruppe aller Tiefseehaie ist, ist nur wenig über ihre Biologie, tatsächliche Artenvielfalt und Verbreitung bekannt.

Zwar werden Laternenhaie nicht gezielt befischt, stellen aber einen großen Anteil des sogenannten Beifangs der Garnelen- und Kaiserbarschfischerei dar und sind wie alle Tiefseefische durch die immer mehr expandierende Hoch- und Tiefseefischerei sehr stark vom Aussterben bedroht. Warum dies beim Laternenhai besonders dramatisch ist, erklärt Jürgen Kriwet, Professor für Paläobiologie an der Universität Wien, folgendermaßen: „Die Gefährdung beruht im Wesentlichen auf der Langlebigkeit der Haie, ihrer späten Geschlechtsreife und der sehr langsamen und geringen Reproduktionsraten. Unterschreitet eine Population eine gewisse Größe, kann sie sich aus eigener Kraft nicht mehr erholen und bricht letztendlich vollständig zusammen.“

Forschung als Basis für Schutzmaßnahmen von Laternenhaien

Bisher wurden keine art- oder populationsspezifischen Daten von Laternenhaien durch die Fischereiindustrie generiert, da dies – wenn überhaupt – nur für ökonomisch wichtige Arten vorgenommen wird. Der unerwünschte Beifang wird entweder zu Fischmehl verarbeitet oder über Bord geworfen. Eine weitere Schwierigkeit bei der Erfassung der Diversität und Populationsgröße von Laternenhaien ist die große Ähnlichkeit einzelner Arten. Während einige als endemisch gelten, wird von anderen Arten eine weltweite Verbreitung angenommen. Aber auch hier fehlen verlässliche Daten, um die Verbreitungsmuster einzelner Arten und Populationen festzustellen. Sinnvolle Schutzmechanismen für Laternenhaie, wie z.B. Schutzzonen während der Fortpflanzungsphasen, Beifang-Quoten etc., können aber nur erarbeitet werden, wenn ihre Diversität, geographische Verbreitung und Populationsstruktur auf Grundlage verlässlicher Fakten bekannt sind.

Jürgen Kriwet hat zusammen mit zwei Kollegen von der Zoologischen Staatssammlung München in den vergangenen Jahren eine großangelegte Studie zur Evolution von Tiefseehaien durchgeführt und mit der aktuellen Publikation in dem Fachmagazin „Zoologica Scripta“ erstmals eine Studie zur Diversität von Laternenhaien veröffentlicht.

Durch molekulargenetische Untersuchungen kryptische Diversität entdeckt
Die Wissenschafter haben Laternenhaie molekulargenetisch untersucht, um ihre Artenvielfalt zu entschlüsseln und ihre Evolution zu verstehen. Dazu der Paläobiologe: „Mit Hilfe spezieller Gene und Methoden erkannten wir, dass eine Gruppe sehr ähnlicher Laternenhaie nicht wie bisher nur in zwei Arten einzuteilen, sondern wesentlich artenreicher ist.“ Dieses Faktum wird als „kryptische Diversität“ bezeichnet. Ein weiteres wichtiges Ergebnis dieser Studie ist, dass es nun möglich ist, mit Hilfe des gewonnen Wissens einen morphologischen Bestimmungsschlüssel für die einzelnen Arten zu erarbeiten. Dieser soll es der Fischerei und der Wissenschaft künftig ermöglichen, verlässliche Daten zu Populationsgrößen und Vorkommen zu generieren, um so Strategien zum Schutz dieser für marine Ökosysteme wichtigen Haie zu erarbeiten.
Publikation
Zoologica Scripta: Cryptic diversity and species assignment of large lantern sharks of the Etmopterus spinax clade from the Southern Hemisphere (Squaliformes, Etmopteridae). Nicolas Straube, Jürgen Kriwet und Ulrich Kurt Schliewen. September 2010.

http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1463-6409.2010.00455.x/abstract

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