Ursachen von Bluthochdruck durch Hormonstörung geklärt

Auswirkungen eines gesteigerten Calcium-Einstroms in Adenom-Zellen: Eine Erhöhung der Calcium-Konzentration steigert die Aldosteronproduktion und das Zellwachstum.<br>Quelle: Forschungszentrum Jülich<br>

Ein internationales Team mit Beteiligung von Jülicher Wissenschaftlern hat eine neue genetische Ursache für dieses Krankheitsbild gefunden. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature Genetics (doi: 10.1038/ng.2695) nachzulesen.

Aldosteron ist ein Steroidhormon, das normalerweise in der äußersten Schicht der Nebennierenrinde gebildet wird. Es bewirkt, dass der menschliche Körper über die Niere und den Darm vermehrt Natrium und Wasser aufnimmt, was zu einer Steigerung des Blutdrucks führt.

Die Überproduktion des Hormons geht in rund einem Drittel der Fälle auf gutartige Tumoren in der Nebenniere, sogenannte Adenome, zurück. Die Autoren Dr. Ute Scholl, Gerald Goh und Prof. Richard Lifton vom Department of Genetics der Yale University haben die Tumoren untersucht und erstmals Mutationen im Gen CACNA1D nachgewiesen, das den Bauplan für den Calciumkanal CaV1.3 bestimmt.

Calciumkanäle in der Zellmembran steuern, wie viele Calcium-Ionen in die Zelle gelangen, und dienen damit der Regulation physiologischer Prozesse. Vorgänge wie beispielsweise die Muskelkontraktion, die Bereitstellung von Neurotransmittern oder die Synthese von Hormonen wie Aldosteron sind abhängig vom Calcium-Einstrom in die Zellen.

„Welche Rolle CaV1.3 in der Nebenniere spielt, und ob die beobachteten Variationen der Gensequenz seine Funktion beeinträchtigen, war bisher nicht klar “, erläutert Mitautorin Dr. Patricia Hidalgo vom Jülicher Institute of Complex Systems (ICS-4). „Wir konnten zeigen, dass die Mutationen das Schaltverhalten der Kanäle verändern, wodurch sich die Überproduktion von Aldosteron vollständig erklären lässt.“

Der Calciumkanal wird durch Veränderungen der elektrischen Spannung, die in allen Zellen zwischen dem Zellinneren und dem Zelläußeren anliegt, aktiviert. Die neu beschriebenen Mutationen führen dazu, dass sich der Ionenkanal schon bei niedrigeren Spannungen öffnet. Dadurch gelangen mehr Calcium-Ionen in die Zelle, was zu einem erhöhten Stimulus für die Aldosteron-Produktion führt. Auch das Zellwachstum nimmt zu, sodass sich Tumoren bilden können. Die Wissenschaftler konnten die Genvarianten nicht nur in Nebennieren-Tumoren, sondern auch im Erbgut von Patienten nachweisen. Die Betroffenen leiden an einer vererbbaren Form des Bluthochdrucks, die schon im Kindesalter auftritt.

Neben neuen Einblicken in den Krankheitsmechanismus liefert die nun veröffentlichte Arbeit auch einen klar definierten pharmakologischen Angriffspunkt für die Behandlung dieser Erkrankungen. Die Ergebnisse könnten es ermöglichen, spezifische Blocker gegen die übermäßige Aktivierung des Calciumkanals zu identifizieren. Das ist auch eines der Ziele der Jülicher Arbeitsgruppe um Dr. Hidalgo, Gabriel Stölting und Prof. Christoph Fahlke (alle ICS-4) für die Zukunft.

Originalpublikation:

Somatic and germline CACNA1D calcium channel mutations in aldosterone-producing adenomas and primary aldosteronism.
Ute I Scholl, Gerald Goh, Gabriel Stölting, Regina Campos de Oliveira, Murim Choi, John D Overton, Annabelle L Fonseca, Reju Korah, Lee F Starker, John W Kunstman, Manju L Prasad, Erum A Hartung, Nelly Mauras, Matthew R Benson, Tammy Brady, Jay R Shapiro, Erin Loring, Carol Nelson-Williams, Steven K Libutti, Shrikant Mane, Per Hellman, Gunnar Westin, Göran Åkerström, Peyman Björklund, Tobias Carling, Christoph Fahlke, Patricia Hidalgo & Richard P Lifton

Nature Genetics (published online 4 August 2013); DOI: 10.1038/ng.2695

Weitere Informationen:

Institute of Complex Systems, Bereich Zelluläre Biophysik (ICS-4)
http://www.fz-juelich.de/ics/ics-4/DE/Home/home_node.html
Ansprechpartner:
PD Dr. Patricia Hidalgo
Institute of Complex Systems, Bereich Zelluläre Biophysik (ICS-4)
Tel. 02461 61-9502
pa.hidalgo@fz-juelich.de
Pressekontakt:
Tobias Schlößer
Tel. 02461 61-4771
t.schloesser@fz-juelich.de

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Tobias Schlößer Forschungszentrum Jülich

Weitere Informationen:

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