Unterirdischen Nahrungsnetzen auf der Spur

Unter den einheimischen Orchideenarten hat der Frauenschuh (Cypripedium calceolus) besonders auffällige Farben und Formen. Foto: Gerhard Gebauer; mit Autorangabe zur Veröffentlichung frei.

Einem Forschungsteam der Universität Bayreuth ist der Nachweis gelungen, dass mehr Orchideenarten als bisher vermutet organischen Kohlenstoff von Pilzpartnern erhalten.

Kohlenstoff ist für alle Pflanzen ein lebens- und überlebenswichtiges Element. Die meisten grünen Pflanzen sind in der Lage, ihren gesamten Kohlenstoffbedarf aus der Photosynthese zu decken. Sie sind dabei nicht auf andere Organismen angewiesen und ernähren sich „autotroph“.

Es gibt aber auch grüne Pflanzen, die zweigleisig fahren. Sie versorgen sich einerseits mit Kohlenstoff, den sie durch Photosynthese selbst gewinnen, und beziehen andererseits Kohlenstoff von Pilzen, die an ihrem unterirdischen Wurzelwerk wachsen. Sie leben mit diesen Pilzen in Symbiose und sind, wenn sie sich von ihnen mit Nährstoffen beliefern lassen, „heterotroph“.

Bisher ist die Forschung davon ausgegangen, dass nur sehr wenige Pflanzenarten fähig sind, parallel zur eigenen Photosynthese auch andere Organismen zur Kohlenstoffgewinnung zu nutzen. Doch ein Forschungsteam um Prof. Dr. Gerhard Gebauer an der Universität Bayreuth hat jetzt am Beispiel grüner Orchideen zeigen können:

Die Anzahl grüner Pflanzen, die in Symbiose mit Pilzen einen Teil ihres Kohlenstoffbedarfs decken, ist wahrscheinlich viel höher als bisher angenommen. Denn das Kriterium, mit dem ein Stoffaustausch zwischen grünen Orchideen und Pilzen bisher identifiziert wurde, ist oft zu schwach, um einem derartigen unterirdischen Kohlenstoffgewinn eindeutig auf die Spur zu kommen.

Messungen von Kohlenstoff- und Wasserstoff-Isotopen

Schon seit langem bedient sich die Forschung der Isotopenanalyse, um zu identifizieren, woher Pflanzen ihre Nährstoffe beziehen. Ein gleichzeitiger Kohlenstoffgewinn aus zwei unterschiedlichen Quellen wurde bisher vor allem dadurch nachgewiesen, dass unterschiedliche Häufigkeiten der beiden stabilen Kohlenstoff-Isotope 12C und 13C gemessen wurden. Aber nicht immer unterscheidet sich der Kohlenstoff aus heterotrophen Quellen vom Kohlenstoff aus der Photosynthese so stark, dass man daraus eindeutig auf einen Stoffaustausch mit anderen Organismen schließen könnte.

Im Labor für Isotopen-Biogeochemie der Universität Bayreuth haben Prof. Gerhard Gebauer, Dr. Katja Preiss und Andreas C. Gebauer aber nun ein weiteres Verfahren entwickelt und angewendet, um verschiedene Kohlenstoffquellen zu unterscheiden. Sie analysierten die Häufigkeit der stabilen Wasserstoff-Isotope 1H und 2H in grünen Orchideen. Denn organische Kohlenstoffquellen, beispielsweise Zucker, enthalten zwangsläufig auch immer Wasserstoff. Dabei stellte sich heraus, dass das schwerere Wasserstoffisotop 2H umso häufiger in den Orchideen anzutreffen ist, je mehr Kohlenstoff sie von Pilzen gewinnen. Überrascht waren die Wissenschaftler, als sie feststellten, dass dieser heterotroph gewonnene Kohlenstoff keineswegs immer einen höheren Anteil des 13C-Isotops enthält.

Interessant für die Ökosystemforschung:
bisher unentdeckte heterotrophe Ernährungsweisen

Auf diese Weise gelang dem Bayreuther Team der Nachweis, dass mehr Orchideenarten als bisher vermutet organischen Kohlenstoff von Pilzpartnern erhalten. Sie gewinnen Kohlenstoff und andere Nährstoffe teils aus der Photosynthese, teils aus der Symbiose mit Pilzen und sind daher „partiell heterotroph“.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein teilweise heterotropher Kohlenstoffgewinn unter grünen Orchideen viel weiter verbreitet ist, als man in der Forschung bislang angenommen hat“, erklärt Prof. Gebauer. „Wir wollen daher unsere Messungen stabiler Wasserstoff-Isotope auf weitere Orchideenarten und andere Pflanzengruppen anwenden, die bisher als autotroph gelten. Möglicherweise beziehen ja auch sie einen Teil ihrer Nährstoffe von fremden Quellen. Solche Erkenntnisse sind vor allem für die Ökosystemforschung interessant. Denn sie zeigen, dass verschiedenartige Organismen in der Natur nicht selten stärker miteinander vernetzt sind, als es auf den ersten Blick scheint.“

Veröffentlichung:
Gerhard Gebauer, Katja Preiss and Andreas C. Gebauer, Partial mycoheterotrophy is more widespread among orchids than previously assumed,
in: New Phytologist (2016), published online February 2016, DOI: 10.1111/nph.13865

Kontakt:
Prof. Dr. Gerhard Gebauer
Leiter des Labors für Isotopen-Biogeochemie
im Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung (BayCEER)
Universität Bayreuth
95440 Bayreuth
Telefon: +49 (0) 921 / 55-2060
E-Mail: gerhard.gebauer@uni-bayreuth.de

www.uni-bayreuth.de

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Christian Wißler Universität Bayreuth

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