Tiefe Hirnstimulation lindert schwerste Depressionen auch langfristig

Die Freiburger Ärzte stimulierten mit Elektroden eine Hirnregion, die an der Wahrnehmung von Freude beteiligt ist. Dadurch wurde die Depression bei sieben der acht behandelten Patienten gelindert. Universitätsklinikum Freiburg

„Der größte Teil der Patienten spricht auf die Therapie an. Einzigartig ist, dass sie dies auch dauerhaft tun. Andere Therapieformen verlieren oft im Laufe der Zeit ihre Wirksamkeit. Damit ist die Tiefe Hirnstimulation ein vielversprechender Ansatz für Menschen mit bisher nicht behandelbarer Depression“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Thomas Schläpfer, Leiter der Abteilung für Interventionelle Biologische Psychiatrie an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg. Die Tiefe Hirnstimulation ist ein auf leichten elektrischen Reizen basierendes Verfahren, mit dem präzise gewählte Bereiche des Gehirns beeinflusst werden können.

Wirkung der Stimulation ab dem ersten Monat

Die acht Probanden litten zwischen drei und elf Jahre durchgehend an einer schwersten Depression, bei der weder medikamentöse oder psychotherapeutische Behandlungen noch Stimulationsverfahren wie die Elektrokrampftherapie Besserung brachten. Die Ärzte implantierten hauchdünne Elektroden und stimulierten einen Hirnbereich, der an der Wahrnehmung von Freude beteiligt und damit auch für Motivation und Lebensqualität von Bedeutung ist.

Die Wirkung der Therapie bewerteten die Ärzte monatlich mit Hilfe der etablierten Montgomery-Asberg Rating Scale (MARDS). Bereits im ersten Monat fiel der MARDS-Wert im Durchschnitt von 30 Punkten auf 12 Punkte und sank bis zum Ende der Studie sogar noch weiter leicht ab. Den MARDS-Wert von 10 Punkten, ab dem eine Depression diagnostiziert wird, unterschritten vier Personen.

Manche Patienten litten kurzzeitig unter verschwommenem Sehen oder unter Doppelbildern. „Die Nebeneffekte konnten wir durch eine verminderte Stimulationsstärke beheben, ohne dass der antidepressive Effekt der Therapie nachgelassen hätte“, sagt Prof. Dr. Volker A. Coenen, Leiter der Abteilung Stereotaktische und Funktionelle Neurochirurgie an der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Freiburg. Bei keinem Patienten waren Persönlichkeitsveränderungen, Denkstörungen oder andere Nebenwirkungen zu beobachten.

Größere Folgestudie soll Registrierung als Therapieverfahren ermöglichen

Sollte die Wirksamkeit und Sicherheit der Therapie in einer weiteren aktuell am Universitätsklinikum Freiburg laufenden fünfjährigen Studie mit 50 Patienten bestätigt werden, sieht Prof. Coenen die Möglichkeit einer europäischen Registrierung des Therapieverfahrens. Das erlaubt den Einsatz der Therapie auch außerhalb von Studien: „Für Patienten mit schwerster Depression könnte eine solche Tiefe Hirnstimulation in einigen Jahren eine wirksame Behandlungsoption sein“, sagt Prof. Coenen.

Original-Titel der Studie: Deep Brain Stimulation to the Medial Forebrain Bundle for Depression- Long-term Outcomes and a Novel Data Analysis Strategy

Doi: 10.1016/j.brs.2017.01.581

Kontakt:
Thomas Schläpfer
Leiter der Abteilung für Interventionelle Biologische Psychiatrie
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinikum Freiburg
Telefon: 0761 270-68820 oder 0761 270-50210
thomas.schlaepfer@uniklinik-freiburg.de

Johannes Faber
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Unternehmenskommunikation
Universitätsklinikum Freiburg
Telefon: 0761 270-84610
johannes.faber@uniklinik-freiburg.de

http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1935861X17306034 Link zur Studie
https://www.uniklinik-freiburg.de/psych.html Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
https://www.uniklinik-freiburg.de/neurochirurgie.html Klinik für Neurochirurgie

Media Contact

Benjamin Waschow idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neues topologisches Metamaterial

… verstärkt Schallwellen exponentiell. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am niederländischen Forschungsinstitut AMOLF haben in einer internationalen Kollaboration ein neuartiges Metamaterial entwickelt, durch das sich Schallwellen auf völlig neue Art und Weise…

Astronomen entdecken starke Magnetfelder

… am Rand des zentralen schwarzen Lochs der Milchstraße. Ein neues Bild des Event Horizon Telescope (EHT) hat starke und geordnete Magnetfelder aufgespürt, die vom Rand des supermassereichen schwarzen Lochs…

Faktor für die Gehirnexpansion beim Menschen

Was unterscheidet uns Menschen von anderen Lebewesen? Der Schlüssel liegt im Neokortex, der äußeren Schicht des Gehirns. Diese Gehirnregion ermöglicht uns abstraktes Denken, Kunst und komplexe Sprache. Ein internationales Forschungsteam…

Partner & Förderer