Think Pink! Erfolg von rosa Bakterien in den Weltmeeren

Vertreter der Roseobacter, Dinoroseobacter shibae DSM 16493 im Erlenmeyer-Kolben. Foto: Petersen, Leibniz-Institut DSMZ<br>

Meeresbakterien der Roseobacter-Gruppe sind in den Ozeanen dieser Erde von den Tropen bis zur Antarktis weit verbreitet. Sie leben dort frei im Wasser, in Sedimenten und als Symbiose-Partner von Algen. Für ihre rosarote Färbung sorgen spezielle Photosynthese-Pigmente. Die marinen Bakterien zeichnen sich durch einen ungewöhnlich vielfältigen Stoffwechsel aus, der interessante Ansätze für biotechnologische Anwendungen eröffnet.

Ihre Evolution zu rekonstruieren, ist für die Wissenschaftler ein Schlüssel, um das Geheimnis ihres ökologischen Erfolges zu verstehen. Forscher der DSMZ fanden jetzt heraus, dass Vertreter der Roseobacter-Gruppe durch Plasmide wichtige genetische Eigenschaften, wie die Fähigkeit zur Photosynthese, untereinander austauschen können. Diese Art eines über die Artgrenze hinausgehenden horizontalen Gentransfers könnte es den Roseobakterien ermöglichen, neue ökologische Nischen schnell und effektiv zu erobern. Die Ergebnisse der Untersuchungen werden in der Zeitschrift Environmental Microbiology veröffentlicht und sind bereits online verfügbar.

Seit 2010 arbeiten Wissenschaftler des Leibniz-Instituts DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH gemeinsam mit marinen Mikrobiologen, Ökologen, Biochemikern, Genetikern und Informatikern im Transregio 51 Roseobacter Sonderforschungsbereich. Ziel des Forschungsverbundes ist es, die evolutiven, genetischen und physiologischen Prinzipien zu verstehen, welche für den Erfolg dieser noch recht unerforschten Bakteriengruppe verantwortlich sind. Welches besondere genetische Rüstzeug haben diese Bakterien, um sich an die verschiedensten Lebensräume anzupassen?

Einem wichtigem Anhaltspunkt dazu kamen jetzt DSMZ-Forscher im Team um PD Dr. Jörn Petersen und Dr. Silke Pradella auf die Spur. Die Wissenschaftler untersuchen die Evolution und Bedeutung von sogenannten „Plasmiden“ innerhalb der Roseobacter-Gruppe, die dort in großer Anzahl und Vielfalt vorkommen. „Plasmide sind meist ringförmige DNA-Moleküle mit einer Größe bis zu 1 Million Basenpaaren, die sich unabhängig vom Bakterienchromosom vervielfältigen. Natürliche Plasmide werden für so nützliche Eigenschaften wie die Stickstofffixierung genutzt. Sie sind aber auch für die Entstehung multiresistenter Krankenhauskeime verantwortlich“, erklärt der Genetiker und Evolutionsbiologe Dr. Jörn Petersen.

„Lange Zeit ging man davon aus, dass sich alle wichtigen genetischen Informationen im Bakterium auf dem Chromosom befinden“, so Jörn Petersen weiter. Für Vertreter der Roseobacter-Gruppe konnte Team-Kollegin Dr. Silke Pradella diese These allerdings bereits in einem früheren Experiment widerlegen. Sie wies nach, dass die zentralen Gene für die Photosynthese bei Roseobacter litoralis und Sulfitobacter guttiformis auf Plasmiden liegen. Mit den jüngsten Arbeiten konnte die Arbeitsgruppe sogar zeigen, dass das komplette Photosynthese-Gencluster mit mehr als 40 Genen vom Chromosom auf ein Plasmid übertragen wurde.

Was ist der Grund für die ungewöhnliche genetische Organisation? „Unsere Erklärung dafür ist, dass die Roseobacter-Gruppe ihre Plasmide als „mobile Container genetischer Informationen“ nutzt, um bei Bedarf wichtige Stoffwechselfunktionen schnell untereinander und sogar über die Artgrenze hinaus auszutauschen“, erklärt Dr. Petersen. „Den Zugang zum gemeinschaftlichen Genpool kann man als eine Art Nachbarschaftshilfe unter diesen marinen Bakterien verstehen. Durch den Transfer der Photosynthesegene werden die Bakterien nicht nur rosa, sondern erwerben auch einen besonderen Überlebensvorteil, indem sie nun zusätzliche Energie aus Sonnenlicht gewinnen können. Ein genetischer Austausch mittels Plasmiden als Vehikel würde auch schlüssig erklären, warum die Photosynthesefähigkeit innerhalb der Roseobacter-Gruppe nur sporadisch und ohne erkennbares Muster verbreitet ist.“

Das an der DSMZ etablierte Methodenspektrum und die neuen Erkenntnisse zur Plasmidbiologie liefern die Grundlage für ein neues systembiologisches Verbundprojekt im Rahmen des Roseobacter Sonderforschungsbereiches. Ziel ist es, die physiologische Bedeutung der Plasmide im Modellorganismus Phaeobacter gallaeciensis DSM 17395 aufzuklären. Dazu sollen die in der Arbeitsgruppe erzeugten Plasmid-Knock-Out-Mutanten mit dem Phaeobacter-Wildtyp mit Hilfe der kompletten OMICS-Pipeline (Genom, Trankriptom, Proteom, Metabolom, Fluxom) analysiert und verglichen werden.

Originalpublikation:
Petersen J, Brinkmann H, Bunk B, Michael V, Päuker O, Pradella S (2012) Think pink: photosynthesis, plasmids and the Roseobacter clade. Environmental Microbiology. Online publiziert: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1462-2920.2012.02806.x/pdf
SFB Transregio 51:
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (www.dfg.de) fördert im Rahmen des Sonderforschungsbereiches Transregio 51 (TRR51; http://www.roseobacter.de) seit Januar 2010 das interdisziplinäre Verbundprojekt.
Über das Leibniz-Institut DSMZ
Das Leibniz-Institut DSMZ–Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH ist eine Einrichtung der Leibniz-Gemeinschaft und mit seinen umfangreichen wissenschaftlichen Services und einem breiten Spektrum an biologischen Materialien seit Jahrzehnten weltweiter Partner für Forschung und Industrie. Als einem der größten biologischen Ressourcenzentren seiner Art wurde der DSMZ die Übereinstimmung mit dem weltweit gültigen Qualitätsstandard ISO 9001:2008 bestätigt. Neben dem wissenschaftlichen Service bildet die sammlungsbezogene Forschung das zweite Standbein der DSMZ. Die Sammlung mit Sitz in Braunschweig existiert seit 42 Jahren und beherbergt mehr als 32.000 Kulturen und Biomaterialien. Die DSMZ ist die vielfältigste Sammlung weltweit: neben Pilzen, Hefen, Bakterien und Archaea werden dort auch menschliche und tierische Zellkulturen sowie Pflanzenviren und pflanzliche Zellkulturen erforscht und archiviert. http://www.dsmz.de
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