Auch Tauben entwickeln Altersdiabetes

Altersdiabetes galt bisher als eine Krankheit, die bei Vögeln nur äußerst selten auftritt. Eine Langzeit-Untersuchung des Frankfurter Biologen Prof. Roland Prinzinger an 76 frei fliegenden Brieftauben (Columba livia) im Alter zwischen einem und 19 Jahren lässt jedoch den gegenteiligen Schluss zu: Im Alter (ab sechs Jahren) steigt der Blutzucker um etwa 12 Prozent an. Die Ursache ist vermutlich, wie beim Menschen auch, ein zu reichliches Angebot an kohlehydratreicher Nahrung. Im Laufe des Lebens kann dies zu einer Erschöpfung des Insulin-Regelsystems führen.

Dass der Typ-2 Diabetes mellitus bei Tauben nicht früher aufgefallen ist, liegt daran, dass Tauben selten über einen längeren Zeitraum ihres Lebens beobachtet werden. Auch Brieftaubenzüchter behalten die Vögel kaum länger als fünf Jahre; dann haben sie den Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit überschritten. Am Institut für Ökologie, Evolution und Diversität der Goethe-Universität werden dagegen schon seit 35 Jahren Brieftauben gehalten. Roland Prinzingers Kollegen Wolfgang und Roswitha Wiltschko untersuchten an den schnellen und ausdauernden Fliegern die Orientierung beim Vogelzug. Die 19jährige Taube „Opi“ ist vermutlich einer der ältesten in menschlicher Obhut lebenden Vögel.

Ausgangspunkt von Prinzingers Untersuchung war die Frage, wie sich Alterungsprozesse bei Tauben in den Blutwerten niederschlagen. Er untersuchte dazu über 30 Blutparameter. Die meisten Bestandteile des Plasmas waren relativ altersstabil; Schwankungen erklärten sich durch Anpassung an Umstände wie Jahreszeit, Tageszeit, Ernährung, Wasserversorgung, Massenabhängigkeit, Geschlecht, Hormone. Auffällig war lediglich der altersbedingte Anstieg des Blutzuckers. Die Blutwerte lassen außerdem Rückschlüsse auf den Trainingszustand der Tauben zu. Dies könnte vor allem für Taubenzüchter von Interesse sein, die ihre Brieftauben optimal ernähren möchten: „Für kurze Flüge ist jedes Gramm Fett für die Taube unnötiger Ballast“, sagt Prinzinger, „aber auf langen Flügen von bis zu 1000 Kilometern am Tag, braucht sie Energiereserven.“

Vergleicht man den Blutzuckerspiegel verschiedener Vogelarten untereinander, so fällt auf, dass dieser bei den Fliegern am höchsten ist, weil diese Art der Fortbewegung am Energie aufwändigsten ist. Läufer benötigen etwas weniger Energie und am sparsamsten ist der Energiehaushalt der Schwimmer.

Informationen: Prof. Roland Prinzinger, Institut für Ökologie, Evolution und Diversität, Bio-Campus Siesmayerstraße, Tel.: (069) 798-24749, Prinzinger@bio.uni-frankfurt.de.

Was Blutuntersuchungen über die Verwandtschaftsbeziehungen von Vögeln aussagen und welche kulturhistorische Bedeutung das Blut hat, können Sie in der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ nachlesen.
„Forschung Frankfurt“ kostenlos bestellen: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
FF online unter: www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de/2010/index.html
Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 von Frankfurter Bürgern gegründet, ist sie heute eine der zehn drittmittelstärksten und größten Universitäten Deutschlands. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein einzigartiges Maß an Eigenständigkeit. Parallel dazu erhält die Universität auch baulich ein neues Gesicht. Rund um das historische Poelzig-Ensemble im Frankfurter Westend entsteht ein neuer Campus, der ästhetische und funktionale Maßstäbe setzt. Die „Science City“ auf dem Riedberg vereint die naturwissenschaftlichen Fachbereiche in unmittelbarer Nachbarschaft zu zwei Max-Planck-Instituten. Mit über 55 Stiftungs- und Stiftungsgastprofessuren nimmt die Goethe-Universität laut Stifterverband eine Führungsrolle ein.
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