Symbiose statt Cellulose – Eine Sackgasse der Evolution

Der Grüne Gift-Wulstling (Amanita phalloides) ist ein giftiger Mykorrhizapilz, der mit Laubbäumen eine Symbiose eingeht. (Quelle: © Stu Phillips / Wikimedia.org)<br>

Pilze der Gattung Amanita verloren Gene mit denen sie zuvor in der Lage waren Cellulose abzubauen und gingen eine enge Bindung mit Bäumen ein. Die Pilze verloren demnach ihre holzzersetzende Funktion und wurden dadurch von der Nährstofflieferung des Wirts abhängig. Das faszinierende an dieser Evolution: Es gibt keinen Weg zurück.

Viele eukaryotische und prokaryotische Mikroorganismen gehen eine Symbiose mit Pflanzen ein. Auch einige Pilzarten der weltweit verbreiteten Gattung Amanita. Von den über 500 Arten sind einige essbar, die Gattung ist aber vor allem für seine giftigen Arten bekannt; Darunter unter anderem der Fliegenpilz (Amanita muscaria var. muscaria).

Die meisten Arten dieser Gattung gehen eine mutualistische Symbiose mit Bäumen ein; andere wenige sind saprotroph, d.h. sie ernähren sich durch den Abbau organischer Verbindungen. Im Laufe der Evolution bildeten sich demnach aus den autark lebenden Pilzen auch Arten heraus, die auf die Nährstoffversorgung von Bäumen angewiesen sind. Diese gehen eine Symbiose mit den Wurzeln von Bäumen ein, ohne dabei jedoch in die Zellen des Wirts einzudringen – eine sogenannte Ektomykorrhiza. Doch wie genau kam es zu dieser Entwicklung?

Die Evolution der Gene
Die Forscher extrahierten DNA aus gesammelten Proben von über 100 Amanita-Arten, um den Ursprung der Symbiose – durch mögliche genetische Veränderungen in der Evolution der Gattung – zu untersuchen. Dafür erstellten sie einen phylogenetischen Stammbaum, bei dem sie sich auf vier Gene konzentrierten und deren Entwicklung in den verschiedenen Arten nachzeichneten. Anhand dieser Daten konnten sie nun die Verwandtschaftsbeziehungen der verschiedenen Arten genau nachverfolgen. Zur Klärung der Verwandtschaftsverhältnisse griffen die Forscher auf die Methode der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) zurück, bei der DNA-Sequenzen künstlich vervielfältigt werden.

Im nächsten Schritt verglichen sie saprotrophe mit symbiotisch lebenden Arten und entdeckten dabei den genetischen Ursprung der Ektomykorrhiza-Symbiose: Ein Genverlust markierte den Beginn der wechselseitigen Beziehung.

Irreversibler Verlust von Funktionen
Im Genom der Pilze kodieren drei Gene Enzyme, die für den Abbau von organischem Material verantwortlich sind. Bei ihren Untersuchungen entdeckten die Forscher, dass die Pilzarten, die zur Ektomykorrhiza fähig sind, mindestens zwei von diesen drei Genen, verloren hatten. Die Gene befähigen die Pilze Cellulose, einen Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände, in Zucker umzuwandeln. Daraus gewinnen die Pilze u.a. Kohlenstoff. Ohne diese Abbauwege sind die Pilze auf eine andere Nährstoffversorgung angewiesen – Die Pilze sind demnach vollends vom Wirt abhängig. Das bedeutet, dass die Pilzarten, die eine symbiotische Beziehung zu Pflanzen eingehen nicht wieder autark wachsen können.

Experimente beweisen die Abhängigkeit
Um ihre Hypothese zu untermauern, testeten die Forscher, ob verschiedene Arten auf einem Untergrund wachsen würden, der keine Möglichkeit zur Symbiose bot. Dabei wurden zwei saprotrophe Arten und eine symbiotisch lebender Pilz verwendet. Die zwei saprotrophe Arten wuchsen ganz gewöhnlich, wohingegen der symbiontische Pilz nicht fähig war auf dem Untergrund zu wachsen.

Das Experiment bewies: Die Pilze, die einmal eine Symbiose eingehen haben die Fähigkeit verloren, in Böden zu überleben ohne Kohlenstoff durch eine Wirtspflanze geliefert zu bekommen. Die Ergebnisse legen nahe, dass der Verlust jener Fähigkeit für die Stabilität dieser allgegenwärtigen mutualistischen Symbiose verantwortlich ist.

Unklar ist bisher allerdings, ob der Genverlust die Voraussetzung oder die Folge der mutualistischen Symbiose (Ektomykorrhiza) war. Der Vergleich mit anderen symbiotisch lebenden Organismen ist nötig, um weiterführende Informationen über die zugrundeliegenden Mechanismen von Genverlusten und dem Übergang zur Symbiose zu liefern.

Quelle:
Wolfe B.E., Tulloss R.E., Pringle A. (2012): The Irreversible Loss of a Decomposition Pathway Marks the Single Origin of an Ectomycorrhizal Symbiosis. In: PLoS ONE 7(7): e39597, online 18. Juli 2012, doi:10.1371/journal.pone.0039597

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