Soziale Kontrolle zwischen Immunzellen hilft bei Abwehr von Infektionen

Das Bild zeigt miteinander wechselwirkende T-Zellen, wobei die Zelloberfläche rot eingefärbt ist, der Zellkern blau und die für die Kommunikation zwischen den Zellen wichtigen Rezeptoren grün. Immunity Journal

Ein einfacher, bislang von Bakterien bekannter Mechanismus sorgt dafür, dass das Immunsystem nach einer Infektion die Balance zwischen der schnellen Vermehrung von Immunzellen und einer überschießenden selbst-schädigenden Reaktion findet. Das haben jetzt Wissenschaftler*innen des Universitätsklinikums Freiburg mit Kolleg*innen aus den Niederlanden und Großbritannien entschlüsselt.

Durch eine Infektion werden T-Zellen schnell aktiviert, was zu deren Vermehrung führt. Das Forschungsteam zeigte nun, dass sich diese Zellen gegenseitig wahrnehmen können und anhand der T-Zelldichte gemeinsam entscheiden, ob sie sich weiter vermehren oder nicht.

Der neu entdeckte Mechanismus könnte auch zur Verbesserung von Krebs-Immuntherapien beitragen. Die Studie erschien am 11. Februar 2020 im Fachmagazin Immunity.

Kooperative Immunzellen

„Wir konnten zeigen, dass sich diese Immunzellen gegenseitig wahrnehmen und miteinander kommunizieren. Die Immunzellen arbeiten als Team und nicht als Einzelkämpferinnen“, sagt Studienleiter Dr. Jan Rohr, Wissenschaftler am Centrum für Immundefizienz (CCI) des Universitätsklinikums Freiburg.

„Dieses Prinzip der Dichte-Kontrolle von Immunzellen ist einfach und sehr wirksam. Das macht es zuverlässig und zugleich hoffentlich zugänglich für therapeutische Ansätze“, so Rohr. Bei niedriger Dichte unterstützen sich die T-Zellen gegenseitig in ihrer Vermehrung.

Sobald dadurch ein Schwellenwert der Zelldichte erreicht wird, schlägt die gegenseitige Unterstützung in eine gegenseitige Hemmung um, die die weitere Zellvermehrung verhindert. Dieser Mechanismus führt dazu, dass anfänglich schwache Immunreaktionen effizient verstärkt und andererseits überschießende und somit potentiell gefährliche Immunreaktionen wirksam gebremst werden.

Immuntherapien könnten noch wirksamer werden

Diese Erkenntnis wirft ein neues Licht auf die Immuntherapie bei Krebs. Tumore schützen sich durch die Unterdrückung des Immunsystems. Darum werden bei bestimmten Immuntherapien den Patient*innen T-Zellen entnommen, im Labor fit gegen den Krebs gemacht, vermehrt und schließlich wieder den Patient*innen zurückgegeben. Bislang werden dabei meist hohe Zellzahlen verabreicht, um die Therapie besonders wirksam zu machen.

„Möglicherweise schalten sich die Immunzellen gegenseitig aus, wenn sie wie bisher einmalig in hoher Zellzahl verabreicht werden. Die wiederholte Gabe weniger Immunzellen könnte die Tumorzellen vielleicht wirksamer bekämpfen.“, sagt Rohr. Inwieweit dies aktuelle Therapieansätze verbessern könnte, muss in weiteren Untersuchungen überprüft werden.

Von Zellen im Labor zum Computermodell

Für ihre Untersuchungen erforschten die Wissenschaftler*innen die Immunzellen mittels mikroskopischer Zeitrafferaufnahmen und genetischer Analysen im Labor. Auf Grundlage der dabei erzielten Erkenntnisse wurde von Wissenschaftler*innen der Universität Leiden, Niederlande, ein mathematisches Modell der T-Zell-Interaktion erstellt.

Dadurch konnten sie die quantitative Beziehung zwischen der Dichte der T-Zellen und den wachstumsstimulierenden bzw. -hemmenden Signalen, die T-Zellen zueinander senden, bestätigen. Schließlich wurden diese Modelle im Tiermodell überprüft.

„Die unterschiedlichen Forschungsansätze haben sich gegenseitig sehr gut ergänzt und unterstützt“, sagt der Freiburger Studienleiter.

Dr. Jan Rohr
Wissenschaftler
Centrum für Chronische Immundefizienz (CCI)
& Zentrum Für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Freiburg
Telefon: 0761 270-45293
jan.rohr@uniklinik-freiburg.de

Originaltitel der Studie: Quorum-regulation mediated by nested antagonistic feedback circuits via CD28 and CTLA-4 confers robustness to CD8+ T cell population dynamics

DOI: 10.1016/j.immuni.2020

https://www.uniklinik-freiburg.de/cci.html Centrum für Chronische Immundefizienz, Universitätsklinikum Freiburg

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