Simulierte Nahrungsaufnahme

Ein neuartiges Nanomaterial ermöglicht eine kontrolliertere Wirkstofffreisetzung und die Vorhersage des Nahrungseffekts.<br>(c) Wiley-VCH<br>

Manche Medikamente müssen vor, zu oder nach einer Mahlzeit genommen werden, denn Nahrungsinhaltsstoffe können die Resorption oder Bioverfügbarkeit von Medikamenten beeinflussen. Australische Wissenschaftler haben Wirkstoffe jetzt in eine Matrix aus Siliziumdioxid und Lipiden eingekapselt, die die Gabe von Pharmaka mit dem Essen simuliert. Wie die Forscher in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichten, wird die Wirkstoffabsorption durch Steuerung des enzymatischen Verdaus der Lipidtröpfchen gesteigert.

Der Körper nimmt fettlösliche Vitamine wie A und D nur in Anwesenheit von etwas Fett auf. Auch die Bioverfügbarkeit vieler schlecht wasserlöslicher Wirkstoffe steigt, wenn sie mit fettreichen Mahlzeiten eingenommen werden. Es gibt bereits etliche Ansätze von Pharmaka in Lipid-basierten Darreichungsformen, beispielsweise als Emulsion, in Micellen oder in Liposomen „verpackt“. Auf diese Weise wird verhindert, dass der Wirkstoff ausflockt, und der Transport zu den Absorptionsorten im Magen-Darm-Trakt wird erleichtert. Damit der Wirkstoff im Körper in Aktion treten kann, muss er aber auch wieder aus seinem Lipid-Mantel befreit werden. Dabei spielt der enzymatische Abbau der lipidischen Umhüllung eine wichtige Rolle. Dieser lässt sich bisher nur schwer kontrollieren. Zudem ist wenig kalkulierbar, wie stark die Bioverfügbarkeit durch eine solche lipidische „Verpackung“ des Wirkstoffes überhaupt erhöht wird.

Clive Prestidge und ein Team von der University of South Australia und der Monash University haben nun eine gut kontrollierbare Verpackungsart entwickelt: nanostrukturierte Netzwerke aus Siliziumdioxid-Nanopartikeln, in die nanoskopische Lipidtröpfchen mit dem Wirkstoff eingelagert sind. Zur Herstellung werden die wirkstoffhaltigen Öltröpfchen ganz fein in einer wässrigen Phase emulgiert. Die Siliziumdioxid-Nanopartikel lagern sich entlang der Phasengrenze um die Tröpfchen an. Durch Sprühtrocknen entstehen feste Mikropartikel aus eingeschlossenen Lipidtröpfchen.

Wie sich zeigte, wird das Lipid aus diesen Mikropartikeln wesentlich rascher enzymatisch verdaut als reine Lipid-Tröpfchen. Der Grund: Das nanostrukturierte Siliziumdioxid-Netzwerk hält die Enzyme in der Nähe ihrer Substrate fest. Die Größe der verwendeten Siliziumdioxid-Teilchen und die Porosität der entstehenden Matrix bestimmen, wie schnell der enzymatische Abbau der Lipide abläuft.

Tierversuche mit Celecoxib, einem Rheumamittel, ergaben einen höheren Wirkstoffgehalt im Plasma, wenn das Pharmakon in der neuen Form oral gegeben wurde, im Vergleich zum reinen Wirkstoff und zu wirkstoffhaltigen Öltröpfchen. Anders als bei den Celecoxib-haltigen Öltröpfchen veränderte sich die Freisetzungsgeschwindigkeit zudem weder von Charge zu Charge noch nach längerer Lagerung des Präparats.

Mit dem neuen Nanomaterial lässt sich der Nahrungseffekt in vorhersagbarer Weise nachahmen, Wirkstoffe kontrollierter freisetzen, der Einfluss gleichzeitig aufgenommener Nahrung auf die Absorption des Wirkstoffes minimieren und so besser vorhersagbare therapeutische Antworten erzielen.

Angewandte Chemie: Presseinfo 16/2012

Autor: Clive A. Prestidge, University of South Australia, Mawson Lakes (Australia), http://unisa.edu.au/iwri/staffpages/cliveprestidge.asp

Angewandte Chemie, Permalink to the article: http://dx.doi.org/10.1002/ange.201200409

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Dr. Renate Hoer GDCh

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