„Science“-Studie: Proteine surfen zu Bestimmungsort in Zellen – Forscher finden neuen Transportweg

Professor Johannes Herrmann und seine Doktorandin Katja Hansen erforschen den Transport von Proteinen in die Mitochondrien. Foto: AG Herrmann

In der Wissenschaft galt lange die Annahme, dass Proteine nach ihrer Produktion im Zytosol, der Zellflüssigkeit, direkt zu ihren Bestimmungsorten gelangen wie den Zellorganellen. Zu diesen kleinen Funktionseinheiten der Zelle zählen zum Beispiel die Mitochondrien, in denen bestimmte Proteine die Energie der Zellen produzieren.

Auf ihrer Oberfläche besitzen Mitochondrien spezielle Rezeptoren. „Sie erkennen neue Proteine und sorgen dafür, dass spezielle Transportporen diese aufnehmen und ins Innere bringen“, sagt Professor Johannes Herrmann, der an der TUK das Lehrgebiet Zellbiologie leitet und schon lange am Transport von Proteinen in die Mitochondrien forscht. „Aber was mit den Proteinen davor passiert, war bislang völlig unklar.“

Gemeinsam mit Professorin Maya Schuldiner, einer ausgewiesenen Expertin auf dem Gebiet der Genetik vom renommierten Weizmann Institut im israelischen Rehovot, hat das Team um Herrmann herausgefunden, dass die Proteine zunächst zum Endoplasmatischen Retikulum (ER) gelangen. Das ER ist auch ein Zellorganell und dient als Sendezentrale. Es schickt verschiedene zelluläre Bestandteile, meist Proteine, nach ihrer Bildung dorthin, wo sie gebraucht werden.

„Wir haben dort bestimmte Faktoren identifiziert, die für den Transport von Proteinen zu den Mitochondrien notwendig sind“, sagt Katja Hansen, Doktorandin von Herrmann und Erstautorin der aktuellen Studie. Dazu hat Hansen zunächst ein neues molekularbiologisches Verfahren entwickelt. Mit dieser Technik ist es dem Kaiserslauterer Forscherteam gelungen, den Mechanismus genau zu analysieren. Es hat ihn „ER-Surf“ getauft, „weil die Proteine hierbei über die ER-Oberfläche, auf Englisch surface, surfen“, erläutert Hansen.

Das ER dient dabei als eine Art Zwischenspeicher. „Empfindliche neue Proteine werden hier solange gebunden, bis sie an Mitochondrien weitergegeben werden können“, so Herrmann. „Dies verhindert vermutlich die Bildung von Protein-Klumpen, sogenannten Aggregaten, die für Zellen schädlich und Ursache vieler Krankheiten sind.“

Das Team von Herrmann will nun untersuchen, welche Bedeutung dieser Mechanismus bei verschiedenen Erkrankungen spielen kann und wie sich die Bildung dieser Aggregate verringern lässt. „Vor allem neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson werden durch solche Protein-Klumpen ausgelöst, die sich in alternden Zellen anreichern“, fährt der Professor fort.
Wenn die Forscher diese Prozesse genauer verstehen, könnten sie in Zukunft als Basis für einen Therapieansatz dienen, um beispielsweise Alterserkrankungen vorzubeugen.

In wie weit der ER-Surf-Mechanismus auch bei Proteinen eine Rolle spielt, die zu anderen Orten in der Zelle wandern, müssen weitere Studien zeigen.

Prof. Dr. Johannes Herrmann
Zellbiologie
E-Mail: hannes.herrmann(at)biologie.uni-kl.de
Tel.: 0631 205-2406

„ER surface retrieval pathway safe-guards the import of mitochondrial membrane proteins in yeast.“ Hansen, K.G., Aviram, N., Laborenz, J., Bibi, C., Meyer, M., Spang, A., Schuldiner, M., Herrmann, J.M.
http://science.sciencemag.org/content/361/6407/1118
DOI: 10.1126/science.aar8174

Media Contact

Melanie Löw Technische Universität Kaiserslautern

Weitere Informationen:

http://www.uni-kl.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Ultraleichte selbstglättende Spiegel

…erhöhen die Effizient hochmoderner Teleskope. Schon immer faszinierte den Menschen der Blick in den Sternenhimmmel und nicht minder faszinierend ist es, die Erde aus dem Weltraum zu betrachten. Möglich ist…

Überraschende Umkehr in Quantensystemen

Forschende haben topologisches Pumpen in einem künstlichen Festkörper aus kalten Atomen untersucht. Die Atome wurden mit Laserstrahlen gefangen. Überraschenderweise kam es zu einer plötzlichen Umkehr der Atome an einer Wand…

Magnetisch durch eine Prise Wasserstoff

Neue Idee, um die Eigenschaften ultradünner Materialien zu verbessern. Magnetische zweidimensionale Schichten, die aus einer oder wenigen Atomlagen bestehen, sind erst seit kurzem bekannt und versprechen interessante Anwendungen, zum Beispiel…

Partner & Förderer