Schwarm-Intelligenz: Zankende Erdmännchen treffen die besseren Entscheidungen

Konflikte innerhalb einer Gruppe können zu besseren Ergebnissen führen als die Übereinstimmung ohne jeglichen Widerspruch. Bisherige Studien, die sich mit dem Thema Schwarm-Intelligenz in der Biologie beschäftigten, haben Interessenskonflikte weitestgehend ausgeklammert.

Doch nun legte die Forschergruppe des MPIB und der LSE in der vorliegenden Untersuchung einen Fokus auf das Thema. Die Wissenschaftler werteten dafür theoretische Daten von Tieren aus, die in sozialen Gruppenverbänden leben. Die Ergebnisse wurden in der Novemberausgabe der Zeitschrift „The American Naturalist“ publiziert.

Die Studie zeigt, dass es für die Erreichung eines gemeinsamen Ziels in einer Gruppe am besten ist, wenn unterschiedliche Interessen zusammen kommen. Wichtig ist lediglich, dass die einzelnen Tiere ein gemeinsames Hauptziel verfolgen, wie zum Beispiel die Futtersuche oder den Schutz vor möglichen Angreifern.

Ein von den Wissenschaftlern entwickeltes Entscheidungs-Modell demonstriert, dass Individuen in einer Gruppe mit unterschiedlichen Interessen weniger häufig die gleichen Fehler machen. Stattdessen machen sie unterschiedliche Fehler. Da sich in einer kollektiven Entscheidung jedoch unterschiedliche (aber nicht gleiche) Fehler gegenseitig ausgleichen, kommt es in einer Gruppe mit Interessenskonflikten zu akkurateren Gruppenentscheidungen.

„Gemeinsame Entscheidungen in Gruppen basieren auf kleineren Meinungsverschiedenheiten, die Fehler ausgleichen. Dies heißt, dass sich die Qualität einer Gruppenentscheidung durch die Anzahl der unterschiedlichen Entscheidungsträger verbessern kann“, sagt Professor Christian List von der LSE.

Ein Beispiel ist die Futtersuche: Auf der Suche nach Nahrung wählen Gruppen mit unterschiedlichen Interessen zuverlässiger die reichhaltigeren Futterplätze aus als Gruppen mit vollkommen übereinstimmenden Interessen. Auf diese Art profitiert jeder in der Gruppe von dem Konflikt, der letztendlich zum besseren Ergebnis führt. Und schließlich werden Entscheidungen trotz Konflikten getroffen, da es nicht im Interesse von sozialen Gruppen wie den Erdmännchen liegt, dass die Gruppe auseinander geht.

„Unsere Ergebnisse zeigen auch, dass gemeinsame Entscheidungen, die ohne Interessenskonflikte zustande kamen, häufig überraschend schlecht sind. Dies liegt daran, dass gleichgesinnte Tiere oftmals in denselben Situationen die gleichen Fehler machen, die sich dann im Kollektiv nicht gegenseitig ausgleichen können. Es ist möglich, dass dies auch auf menschliche Gruppenentscheidungen anwendbar ist und würde dann ein starkes Argument dafür liefern, verschiedene Interessensgruppen und Minderheiten nicht von gemeinsamen Entscheidungen auszuschließen“, sagt Studienleiterin Dr. Larissa Conradt, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin und Expertin für das Gruppenverhalten von Tieren.

Originalstudie
Conradt, L., List, C., Roper, T. J. (2013). Swarm Intelligence: When Uncertainty Meets Conflict. American Naturalist.
Volume: 182 Issue: 5 Pages: 592-610
doi: 10.1086/673253
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
Das MPI für Bildungsforschung wurde 1963 in Berlin
gegründet und ist als interdisziplinäre
Forschungseinrichtung dem Studium der mensch
lichen Entwicklung und Bildung gewidmet. Das
Institut gehört zur Max-Planck-Gesellschaft z
ur Förderung der Wissenschaften e.V., einer der
führenden Organisationen für Grundlagenforschung in Europa.

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Ideen für die Zukunft

TU Berlin präsentiert sich vom 22. bis 26. April 2024 mit neun Projekten auf der Hannover Messe 2024. Die HANNOVER MESSE gilt als die Weltleitmesse der Industrie. Ihr diesjähriger Schwerpunkt…

Peptide auf interstellarem Eis

Dass einfache Peptide auf kosmischen Staubkörnern entstehen können, wurde vom Forschungsteam um Dr. Serge Krasnokutski vom Astrophysikalischen Labor des Max-Planck-Instituts für Astronomie an der Universität Jena bereits gezeigt. Bisher ging…

Wasserstoff-Produktion in der heimischen Garage

Forschungsteam der Frankfurt UAS entwickelt Prototyp für Privathaushalte: Förderzusage vom Land Hessen für 2. Projektphase. Wasserstoff als Energieträger der Zukunft ist nicht frei verfügbar, sondern muss aufwendig hergestellt werden. Das…

Partner & Förderer