Schattenspender im Fensterglas

Modifizierte Kartoffelstärke hält das Verbundglas zusammen, das sich unter Einwirkung von UV-Licht verdunkelt. Foto: Jan-Peter Kasper/FSU<br>

Es sieht aus wie ganz normales Fensterglas. Das Besondere an der etwa 10 mal 20 Zentimeter großen Scheibe, die Prof. Dr. Thomas Heinze in seinem Labor in den Händen hält, wird erst deutlich, als Licht darauf fällt: Binnen Sekunden färbt die Wintersonne die Glasscheibe leuchtend blau.

„Die Intensität der Färbung hängt davon ab, wie intensiv die einfallenden UV-Strahlen sind“, erläutert der Professor für Organische Chemie und Leiter des Kompetenzzentrums für Polysaccharidforschung der Universität Jena. Das Verbundglas, das seine ursprüngliche Transparenz wenige Minuten nach Ende der Sonneneinstrahlung von selbst wieder erlangt, ist das Ergebnis eines aktuellen Forschungsprojekts der Chemiker der Jenaer Universität.

Eingesetzt als Fensterglas, ließe sich mit dem neu entwickelten Verbundglas ein automatisches Verschattungssystem für Wohn- oder Bürogebäude herstellen. „Zwar gibt es bereits eine Reihe anderer Konzepte für photoschaltbare Materialien, die teilweise auch schon auf dem Markt sind“, erläutert Heinze. Der Vorteil der Jenaer Neuentwicklung sei aber, dass sie um ein Vielfaches kostengünstiger sei als etwa elektrochrome Systeme, „und damit auch für den durchschnittlichen Geldbeutel erschwinglich.“

Das Geheimnis der Neuentwicklung steckt zwischen den beiden Scheiben des Verbundglases. „Diese sind mit einem Klebstoff auf Basis von Kartoffelstärke miteinander verbunden“, erklärt Dr. Tim Liebert aus Heinzes Team. Das natürliche Polymer Stärke biete sich aufgrund einer Reihe von Eigenschaften dafür an: „Nicht nur, dass sich der nachwachsende Rohstoff in großer Menge preisgünstig gewinnen lässt“, so Liebert. „Verknüpft mit Fettsäuren wird aus der Stärke ein schmelzbarer, transparenter Klebstoff.“ Diesen haben die Chemiker von der Jenaer Universität inzwischen weltweit patentieren lassen. Gemeinsam mit ihren Kooperationspartnern wurde der Stärkekleber nun außerdem mit photosensiblen Farbstoffen versehen. Damit sei die Basis gelegt für eine Anwendung des Stärkeklebers in Verbundgläsern auch in großem Maßstab. Der erste Prototyp einer Fensterscheibe mit integriertem photoschaltbarem Verschattungssystem auf Basis von Kartoffelstärke soll im kommenden Jahr vorliegen.

Das Projekt ist eine Kooperation des Kompetenzzentrums für Polysacharidforschung der Friedrich-Schiller-Universität mit dem Jenaer INNOVENT e. V., dem Fraunhofer Institut für Keramische Technologie und Systeme, dem Institut für Baukonstruktion an der TU Dresden, der Ostthüringer Materialprüfgesellschaft mbH sowie zwei mittelständischen Industriepartnern aus Sachsen und Sachsen-Anhalt. Das Gemeinschaftsprojekt wird von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) bis 2012 mit rund einer Million Euro gefördert.

Kontakt:
Prof. Dr. Thomas Heinze / Dr. Tim Liebert
Institut für Organische Chemie und Makromolekulare Chemie der Universität Jena
Kompetenzzentrum Polysaccharidforschung
Humboldtstraße 10, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 948270, 948264
E-Mail: thomas.heinze[at]uni-jena.de, tim.liebert[at]uni-jena.de

Media Contact

Dr. Ute Schönfelder Uni Jena

Weitere Informationen:

http://www.uni-jena.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft

For­schen­de an der ETH Zü­rich ha­ben Bak­te­ri­en im La­bor so her­an­ge­züch­tet, dass sie Me­tha­nol ef­fi­zi­ent ver­wer­ten kön­nen. Jetzt lässt sich der Stoff­wech­sel die­ser Bak­te­ri­en an­zap­fen, um wert­vol­le Pro­duk­te her­zu­stel­len, die…

Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren

Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…

Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht

Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…

Partner & Förderer