RUB-Forscher und Kollegen züchten Penicillin-produzierende Pilze mit neuen Eigenschaften
Über 100 Jahre lang ging man davon aus, dass sich der Penicillin-produzierende Schimmelpilz Penicillium chrysogenum nur ungeschlechtlich über Sporen vermehrt. Ein internationales Forscherteam um Prof. Dr. Ulrich Kück und Julia Böhm vom Lehrstuhl für Allgemeine und Molekulare Botanik der Ruhr-Universität hat nun erstmals gezeigt, dass der Pilz auch einen Sexualzyklus, also zwei „Geschlechter“ besitzt.
Durch geschlechtliche Vermehrung von P. chrysogenum erzeugten die Forscher Pilzstämme mit neuen biotechnologisch relevanten Eigenschaften – etwa hohe Penicillin-Produktion ohne das verunreinigende Chrysogenin. Das Team aus Bochum, Göttingen, Nottingham (England) und Kundl (Österreich) sowie von der Sandoz GmbH berichtet in PNAS. Der Artikel erscheint im Lauf dieser Woche in der Online Early Edition und wurde als Coverstory ausgewählt.
Einziger Penicillin-Produzent
Vor etwa 100 Jahren wies Alexander Fleming bei Penicillium chrysogenum die Bildung von Penicillin nach. Bis heute ist kein anderer Produzent des Antibiotikums Penicillin bekannt, das einen jährlichen Weltmarkwert von circa sechs Milliarden Euro besitzt.
Gene kombinieren und Nachkommen mit neuen Eigenschaften züchten
Nicht nur Tiere und Pflanzen, auch viele Mikroorganismen wie Pilze und Algen können sich geschlechtlich vermehren. Der Vorteil: Die Nachkommen besitzen eine Kombination der Gene beider Paarungspartner und somit neue Eigenschaften. Eine geschlechtliche Vermehrung ist bei Pilzen jedoch nicht die Regel. Die meisten vermehren sich über Sporen, die im Fall der Schimmelpilze als weiße, grüne oder schwarze Beläge auf verdorbenen Speisen auftreten. Diese Sporen tragen nur die Gene eines Elternpilzes in sich. „Wir haben bereits vor fünf Jahren die Existenz sogenannter Geschlechtsgene bei Penicillium chrysogenum nachgewiesen“, sagt Prof. Kück. Nun fand das Forscherteam spezielle Umweltbedingungen, unter denen sich der Schimmelpilz tatsächlich geschlechtlich vermehrt. Entscheidend war, die Pilze im Dunkeln unter Sauerstoffmangel auf einem Nährmedium anzuziehen, dem das Vitamin Biotin zugefügt worden war. Sowohl auf der molekularen Ebene, als auch in ihren äußeren Merkmalen zeigten die Nachkommen neue Eigenschaften.
Ergebnisse könnten auf andere Pilze übertragbar sein
Mit sogenannten Mikroarray-Analysen untersuchten die Biologen außerdem die Aktivität aller ca. 12 000 Gene des Schimmelpilzes. Das Ergebnis: Die Geschlechtsgene kontrollieren die Aktivität von biotechnologisch relevanten Genen, zum Beispiel jenen für die Penicillin-Produktion. „Wir vermuten, dass sich die Erkenntnisse auch auf andere Schimmelpilze übertragen lassen“, sagt Ulrich Kück, „etwa Penicillium citrinum und Aspergillus terreus, die cholesterinsenkende Statine herstellen, oder Penicillium brevicompactum und Tolypocladium inflatum, welche Immunsuppressiva produzieren, die bei Organtransplantationen Einsatz finden.“ Die Forscher führten die Arbeit im Christian Doppler-Labor „Biotechnologie der Pilze“ an der Ruhr-Universität durch, gefördert mit Mitteln der Christian Doppler Gesellschaft (Wien).
Titelaufnahme
J. Böhm, B. Hoff, C.M. O’Gorman, S. Wolfers, V. Klix, D. Binger, I. Zadra, H. Kürnsteiner, S. Pöggeler, P.S. Dyer, U. Kück (2013): Sexual reproduction and mating-type – mediated strain development in the penicillin-producing fungus Penicillium chrysogenum, PNAS, DOI: 10.1073/pnas.1217943110
Weitere Informationen
Prof. Dr. Ulrich Kück, Lehrstuhl Allgemeine und Molekulare Botanik, Fakultät für Biologie und Biotechnologie der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-28212, E-Mail: Ulrich.Kueck@rub.de
Julia Böhm, Lehrstuhl Allgemeine und Molekulare Botanik, Fakultät für Biologie und Biotechnologie der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-25656, E-Mail: Julia.Boehm@rub.de
Angeklickt
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Redaktion: Dr. Julia Weiler
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