Wie sich die Protein-Transportmaschinerie in den Chloroplasten höherer Pflanzen entwickelte

Petrischale mit einer Gametophyten-Kultur von Physcomitrella patens: Gezeigt sind Gametophyten, welche neben den Sporophyten eine von zwei Generationen im Generationswechsel des Mooses repräsentieren.<br>Foto: Chantal Träger<br>

RUB-Forscher haben gemeinsam mit Kollegen aus Schweden untersucht, wie sich das Proteintransportsystem von Bakterien im Lauf der Zeit zu dem System in den Chloroplasten höherer Pflanzen entwickelte. Sie erforschten die sogenannten Signalerkennungspartikel (SRP) und ihre Rezeptoren.

Bioinformatische und biochemische Analysen ergaben, dass das Moos Physcomitrella patens evolutionär alte und neue Bestandteile des SRP-Systems besitzt und damit eine Zwischenstufe in der Entwicklung von bakteriellem Transportsystem zum Chloroplasten-System in höheren Pflanzen darstellt. Das internationale Team um Prof. Dr. Danja Schünemann und Dr. Chantal Träger aus der AG Molekularbiologie pflanzlicher Organellen der Ruhr-Universität berichtet in der Zeitschrift The Plant Cell.

Das SRP-System leitet neue Proteine an ihren Arbeitsort

In der Zellflüssigkeit befördert eine spezielle Transportmaschinerie Proteine von ihrem Entstehungsort an ihren Arbeitsort, zum Beispiel in die Zellmembran. Entscheidend dabei ist das sogenannte SRP-System. Es bindet an das zu transportierende Protein, wandert mit ihm zur Zellmembran und interagiert dort mit dem SRP-Rezeptor (FtsY). Bindet das SRP-System an den Rezeptor, kommt es durch Spaltung des Energiespeichermoleküls GTP zu weiteren Prozessen, die schließlich das Protein in der Membran verankern.

Vom Cyanobakterium zum Chloroplasten

In der Zellflüssigkeit von Bakterien, Tieren und Pflanzen besteht das SRP-System aus zwei Komponenten: dem Protein SRP54 und der Ribonukleinsäure SRP-RNA. Vor einigen Jahren fanden Forscher heraus, dass die Chloroplasten höherer Pflanzen, also die Photosynthese-treibenden Zellbestandteile, ein eigenes SRP-System besitzen. Es unterscheidet sich stark von dem System der Zellflüssigkeit. Denn es besitzt keine SRP-RNA, sondern neben dem SRP54 zusätzlich das Protein SRP43, das ausschließlich in Chloroplasten vorkommt. Wissenschaftler nehmen an, dass Chloroplasten aus Cyanobakterien entstanden, die zunächst in Symbiose mit pflanzlichen Vorläuferzellen lebten und schließlich in die Pflanzenzellen integriert wurden. Wie das RNA-lose SRP-System der Chloroplasten aus dem RNA-haltigen SRP-System der Bakterien entstand, haben die Wissenschaftler nun erforscht.

Pflanzenreich bioinformatisch durchsucht

Die Bochumer Biologen und Dr. Magnus Rosenblad von der Universität Göteborg schauten zunächst mit Hilfe der Bioinformatik, welche Vertreter im Pflanzenreich welche Komponenten des SRP-Systems in ihren Chloroplasten aufweisen. „Wir waren erstaunt, dass viele Organismen von einzelligen Grünalgen über Moose bis hin zu Farnen das Gen für die SRP-RNA in ihren Chloroplasten besitzen“, sagt Danja Schünemann. „Die einzige Ausnahme sind die höheren Pflanzen, die dieses Gen verloren haben.“ Bei ihnen besteht das SRP-System einzig und allein aus den Proteinen SRP54 und SRP43. Interessanterweise kommt SRP43 aber auch in den Chloroplasten der niederen Pflanzen vor, die noch mit SRP-RNA ausgestattet sind.

SRP-RNA im Moos hat ihre Funktion teilweise eingebüßt

In Zusammenarbeit mit mehreren Gruppen des SFB 642 an der RUB untersuchte Dr. Chantal Träger die Biochemie des Mooses Physcomitrella patens, das zu den niederen Pflanzen zählt. Physcomitrella besitzt in den Chloroplasten alle denkbaren Komponenten des SRP-Systems: sowohl die evolutionär alten Komponenten SRP54 und SRP-RNA, als auch das evolutionär neuere Protein SRP43. Die SRP-RNA der Moos-Chloroplasten bildet jedoch eine längere Schlaufe als die bakterielle SRP-RNA. Diese veränderte Struktur behindert sie scheinbar darin, die Spaltung von GTP zu regulieren. Physcomitrella patens enthält also die evolutionär alte SRP-RNA, die aber bestimmte Funktionen weitgehend verloren hat. Das SRP-System der Chloroplasten von Physcomitrella patens repräsentiert also den Übergang zwischen Bakterien und höheren Pflanzen. Eine Röntgenstrukturanalyse ergab des Weiteren, dass der SRP-Rezeptor (FtsY) des Mooses bereits Eigenschaften des Proteins bei höheren Pflanzen aufweist.

Titelaufnahme

C. Träger, M.A. Rosenblad, D. Ziehe, C. Garcia-Petit, L. Schrader, K. Kock, C.V. Richter, B. Klinkert , F. Narberhaus, C. Herrmann, E. Hofmann, H. Aronsson, D. Schünemann (2012): Evolution from the prokaryotic to the higher plant chloroplast Signal Recognition Particle: the Signal Recognition Particle RNA is conserved in plastids of a wide range of photosynthetic organisms, The Plant Cell, DOI: 10.1105/tpc.112.102996

Weitere Informationen

Prof. Dr. Danja Schünemann, AG Molekularbiologie pflanzlicher Organellen, Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-24293, E-Mail: danja.schuenemann@rub.de

Dr. Chantal Träger, AG Molekularbiologie pflanzlicher Organellen, Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-29341, E-Mail: chantal.traeger@rub.de

Redaktion: Dr. Julia Weiler

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Dr. Josef König idw

Weitere Informationen:

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