Protein sorgt für Ordnung im Zellkern

Ordnung im Zellkern: Die grünen Zentromere der 13 Chromosomen der Gewebekulturzellen sind an nur 3 Stellen gebündelt. Sie lagern sich um eine spezielle Kernregion, den Nukleolus herum, der hier dunkel erscheint. Rot gefärbt sind die Chromosomen und markieren den Zellkern. <br>© Patrick Heun, MPI für Immunbiologie und Epigenetik <br>

Nun können Forscher um den Biologen Patrick Heun vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg erstmals ein Phänomen erklären, das vor über 40 Jahren erstmals beobachtet wurde. Die Zentromere, also die Mittelteile der X-förmigen Chromosomen, sind im Zellkern an wenigen spezifischen Stellen gebündelt. An Taufliegen zeigten die Forscher nun, dass ein einziges Protein an diesem Prozess maßgeblich beteiligt ist. Fehlt es, nehmen DNA-Schäden in der Zelle zu und es kommt zu Störungen bei der Zellteilung.

Vor der Zellteilung verdoppelt sich jedes Chromosom. Die beiden Kopien bleiben allerdings bis kurz vor der Trennung an einer Stelle miteinander verbunden, dem Zentromer. Dadurch entsteht die klassische x-förmige Struktur von Chromosomen. Färbeexperimente zeigten in den letzten 40 Jahren, dass bei vielen Lebewesen und verschiedenen Zelltypen die Zentromere von mehreren Chromosomen im Zellkern gebündelt sind. Doch bislang ist noch weitgehend unverstanden, wie das Erbgut im Zellkern organisiert ist.

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik um Patrick Heun, der auch am Exzellenzcluster BIOSS Centre for Biological Signalling Studies der Universität Freiburg beteiligt ist, zeigten nun in einer Reihe von Experimenten an der Taufliege Drosophila melanogaster, dass für die Zentromer-Positionierung das Protein NLP von großer Bedeutung ist. Es bindet gezielt an die Zentromer-Region der Chromosomen und leitet deren Zusammenballen am Nukleolus ein, einem wichtigen Bereich im Zellkern. Wo das Protein am Chromosom bindet, hängt von der Verpackung der DNA ab, dem Chromatin. Die Erbgut-Sequenz an der Stelle spielt hingegen offensichtlich keine Rolle, wie Heun und Kollegen herausfanden. NLP existiert in leicht veränderter Form auch beim Menschen und heißt dort Nucleophosmin.

Schalten die Forscher das Protein NLP mit der sogenannten Knockdown-Methode aus, fallen die Zentromere auseinander und verteilen sich im gesamten Zellkern. Durch die Veränderung der räumlichen Ordnung im Zellkern werden nun eigentlich stillgelegte Bereiche des Erbguts aktiviert und es häufen sich Schäden am DNA-Doppelstrang. Solche Veränderungen können die Stabilität des Genoms beinträchtigen und letztendlich zur Krebsentstehung beitragen. „Für einzelne Leukämieformen ist schon bekannt, dass die Organisation des Zellkerns eine Rolle spielt. Es wäre sehr interessant, ob die fehlende Organisation der Zentromere auch bei Krebszellen eine Rolle spielt,“ sagt Heun.

Neben dem Protein NLP konnten die Wissenschaftler die Wechselwirkungen mit zwei weiteren, bereits bekannten Proteinen entschlüsseln. Das Nukleolusprotein Modulo verankert den Komplex aus Zentromer und NLP an dem Nukleolus. Das Protein CTCF hingegen unterstützt NLP bei der die Bündelung der Zentromere.

„Auf dem Weg, den molekularen Mechanismus diese Phänomens zu entschlüsseln, haben wir jetzt den Fuß in der Tür“, ist Heun überzeugt. Seit 2008 hatte er mit seinem Doktoranden Jan Padeken und seiner Arbeitsgruppe daran gearbeitet. Weitere Untersuchungen in Drosophila und Säugetierzellen, wie der Maus, sollen jetzt folgen. „Wir erwarten, dass noch weitere Proteine an der Zentromer-Organisation beteiligt sind und möchten herausfinden ob das aufgedeckte Netzwerk von Proteinen auch in anderen Organismen eine Rolle spielt“, sagt Heun.

Am Max-Planck Institut für Immunbiologie und Epigenetik (MPI-IE) in Freiburg, gegründet 1961, untersuchen Wissenschaftler, wie sich das Immunsystem im Laufe der Evolution entwickelt hat und wie es sich während des Lebens verändert. Im Jahr 2007 wurde am Institut zudem der Schwerpunkt Epigenetik etabliert. Darin untersuchen Forscher die Vererbung von Eigenschaften, die nicht auf Veränderungen der DNA-Sequenz basieren.

Ansprechpartner
Dr. Patrick Heun,
Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik, Freiburg
Telefon: +49 761 5108-717
E-Mail: heun@­immunbio.mpg.de
Johannes Faber,
Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik, Freiburg
Telefon: +49 761 5108-368
E-Mail: presse@­ie-freiburg.mpg.de
Originalpublikation
Padeken J, Joseì Mendiburo M, Chlamydas S, Schwarz H-J, Kremmer E, & Heun P (2013)
The Nucleoplasmin homologue NLP mediates centromere clustering and anchoring to the nucleolus.

Molecular Cell, April 4, 2013, DOI:

Media Contact

Dr. Patrick Heun Max-Planck-Institut

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Ideen für die Zukunft

TU Berlin präsentiert sich vom 22. bis 26. April 2024 mit neun Projekten auf der Hannover Messe 2024. Die HANNOVER MESSE gilt als die Weltleitmesse der Industrie. Ihr diesjähriger Schwerpunkt…

Peptide auf interstellarem Eis

Dass einfache Peptide auf kosmischen Staubkörnern entstehen können, wurde vom Forschungsteam um Dr. Serge Krasnokutski vom Astrophysikalischen Labor des Max-Planck-Instituts für Astronomie an der Universität Jena bereits gezeigt. Bisher ging…

Wasserstoff-Produktion in der heimischen Garage

Forschungsteam der Frankfurt UAS entwickelt Prototyp für Privathaushalte: Förderzusage vom Land Hessen für 2. Projektphase. Wasserstoff als Energieträger der Zukunft ist nicht frei verfügbar, sondern muss aufwendig hergestellt werden. Das…

Partner & Förderer