Pollenwände stärker als Flusssäure

Pollen lösen nicht nur Allergien aus, sondern transportieren und schützen auch das männliche Erbgut von Pflanzen, wodurch erst Samen und Früchte entstehen können.

Darüber hinaus eröffnet ihre Erforschung ein breites Feld von Anwendungsgebieten. Das verdeutlicht das bei Springer erschienene Buch „Pollen Terminology – an illustrated Handbook“.

Das Werk macht Fachbegriffe verständlich und veranschaulicht anhand zahlreicher Fotos aus dem Elektronenmikroskop die Vielfalt und bizarre Schönheit der Pollenkörner. Daneben gibt es einen Überblick über neue Erkenntnisse der Pollenforschung.

„Die Untersuchung von Pollen unter dem Elektronenmikroskop eröffnet heute Perspektiven, die der früheren Forschung verschlossen waren“, betont Buchautorin Martina Weber vom Department für Palynologie und Strukturelle Botanik der Universität Wien im pressetext-Interview.

Erst das Mikroskop macht die beachtliche Formenvielfalt der Pollen sichtbar, wie die Datenbank der internationalen Pollenforschung http://www.paldat.org zeigt. Das Aussehen eines Pollens ist wesentlich von seiner Übertragungsform bestimmt. Pollenkörner aus Gräsern oder Bäumen, die sich über den Wind verbreiten, besitzen eine glatte Oberfläche. Pflanzen, die sich zur Bestäubung Insekten, Vögel oder Säugetiere nutzbar machen, setzen hingegen auf komplexere Strukturen. „Da die Wahrscheinlichkeit, dass eine Pflanze von einem Tier besucht wird, äußerst gering ist, versucht sie, ihm eine möglichst große Pollenportion zu verabreichen. Das gelingt durch Stacheln, Netze, Fäden oder einen speziellen Pollenkitt, allesamt Strategien, um am Überträger haften zu bleiben“, so Weber.

Der Einsatz der Pollenforschung reicht weit über die Allergieforschung hinaus. Schon in den 50-er Jahren gelang es dem Paläontologen Wilhelm Klaus, einen Kriminalfall durch die Bestimmung von Pollenkörnern zu lösen. „Auf der Schuhsole eines Mordverdächtigten fand man fossile Pollenkörner, die nur an einer bestimmten Stelle auftreten. Mit diesem Wissen konfrontiert, löste der Mörder seinen Widerstand und führte die Polizei an den Ort, an dem er die Leiche vergraben hatte“, berichtet Weber. Ebenso eigne sich die Pollenbestimmung auch für den Nachweis der Sortenreinheit von Honig oder der Echtheit von Safran.

Die perfekte Struktur der Körner macht den Pollen schließlich auch für die Bionik interessant. „Alleine wenn man die Mechanismen betrachtet, in denen sich Pollenkörner bei Austrocknung einfalten, erkennt man sie als Wunderwerk. Es ist denkbar, dass die Technik der Zukunft Ideen aus ihrer Konstruktion schöpft.“ Beachtlich sei auch die aus Proteinen aufgebaute Pollenwand, die zum Schutz der wertvollen genetischen Information der Pflanze extreme Härte besitzt. „Sie ist so hart, dass sie sogar ein Bad in heißer Flusssäure übersteht.“ Wird Pollen im Moor oder Eis eingeschlossen, kann er Jahrmillionen überstehen und erlaubt etwa die Datierung des Antarktis-Eis oder Rückschlüsse auf Pflanzenbestände einer Region zu Urzeiten.

Was die Flusssäure nicht schafft, gelingt jedoch Mikroorganismen wie Bakterien und Pilzen. „Sie sorgen dafür, dass das Pollenkorn auf dem Boden mit der Zeit verrottet. Anderenfalls würden wir in Pollen ersticken“, so Weber. Diese Vorstellung bestätigen Schätzungen schwedischer Pollenforscher. „Die Fichtenwälder Schwedens produzieren pro Blühperiode 75.000 Tonnen Pollen. Das entspricht der Ladung von 2.000 Güterwaggons der Bahn, die aneinandergereiht eine Länge von 50 Kilometer ergeben würden“, so die Wiener Pollenforscherin.

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Johannes Pernsteiner pressetext.austria

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