Plattwürmer im Auftrag der Regenerativen Medizin

Gemeinsam mit dessen Gruppe am Max-Planck-Zentrum für Systembiologie in Dresden will die Juniorgruppe die genetischen Codes von einigen Plattwurm-Arten entziffern und miteinander vergleichen.

Plattwürmer sind für Forscher interessant, weil sie Meister der Regeneration sind: Zerteilt man sie, können sich aus den Einzelstücken wieder ganze Würmer bilden. Die Forscher hoffen aus dem Erbgutvergleich neue Erkenntnisse für die Regenerative Medizin der Zukunft zu gewinnen.

Am Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) hat jetzt die neue Junior-Forschungsgruppe „Computational Biology“ (CBI) ihre Arbeit aufgenommen. Sie ergänzt die Arbeit der bisher sechs Forschungsgruppen, die in verschiedenen Bereichen der Naturwissenschaften Grundlagenforschung zur Verarbeitung und Strukturierung großer Datenmengen betreiben. Als Leiter der Juniorgruppe wurde Dr. Siegfried Schloissnig ans HITS berufen. Der 33-jährige Diplominformatiker und promovierte Humanbiologe war zuvor am Europäischen Molekularbiologischen Laboratorium (EMBL) als Postdoc tätig. Unter seiner Leitung werden in Heidelberg ein Postdoc und zwei Doktoranden arbeiten.

Pionier der Bioinformatik als Mentor

Mentor der neu eingerichteten Gruppe ist Prof. Eugene „Gene“ Myers, einer der Pioniere der Bioinformatik. Der US-Amerikaner entwickelte BLAST, das meistgenutzte Suchprogramm in der Molekularbiologie. Er schrieb Gensequenzierungsprogramme, die maßgeblich zum erfolgreichen Abschluss des Humangenomprojekts beitrugen, in dessen Rahmen das menschliche Genom vollständig entziffert wurde. Seit Juni 2012 arbeitet Gene Myers als Direktor und Inhaber des „Klaus Tschira Chair“ am Zentrum für Systembiologie in Dresden. Die Max-Planck-Gesellschaft rief das neue Zentrum ins Leben, gemeinsam mit der Klaus Tschira Stiftung und der Max-Planck-Förderstiftung. Das Zentrum ist ein Gemeinschaftsprojekt der Dresdner Max-Planck-Institute für molekulare Zellbiologie und Genetik sowie für Physik komplexer Systeme. Es soll Methoden entwickeln, um damit besser zu verstehen, was in den Zellen passiert, während ein Organismus heranwächst.

Neue Ansätze für noch nicht entzifferte Genome

Diese Ziele hat auch die neue HITS-Juniorgruppe im Visier, in Arbeitsteilung und enger Abstimmung mit Gene Myers´ Labor in Dresden und dem neu gegründeten Dresden Genome Center. Siegfried Schloissnig will mit seiner Gruppe neue Ansätze für die sogenannte „De-novo-Assemblierung“ entwerfen, die Rekonstruktion von Genomsequenzen mit Hilfe von DNA-Sequenziergeräten und bioinformatischen Methoden. Beim Sequenzieren nach heute üblichen Methoden wird die DNA mehrfach kopiert. Die Kopien werden dabei zufällig in viele kleine Fragmente aufgesplittert. Diese Fragmente werden durch bioinformatische Methoden auf Überlappungen untersucht und dann wieder neu zusammengesetzt. Je kleiner die Fragmente und komplexer das Genom, desto schwieriger wird das Problem. Noch schwieriger ist es, wenn kein vergleichbares Genom vorliegt und die Forscher das Genom aus Sequenzen „de novo“, das heißt: neu zusammensetzen müssen. Wie zum Beispiel bei Plattwürmern, deren genetische Codes die neue HITS-Juniorgruppe entziffern will.

Das Puzzle der Plattwürmer

Damit haben sich die Wissenschaftler auf schwieriges Terrain gewagt: Bislang gelten die Genome von Plattwürmern als nicht entzifferbar, weil ihre Struktur zu kompliziert ist. „Zwei Drittel des Wurmgenoms wiederholen sich ständig“, erläutert Siegfried Schloissnig, „wie ein Puzzle, das zu zwei Dritteln aus weißen Teilchen besteht, die sich nur minimal voneinander unterscheiden.“ Er will nun gemeinsam mit dem Dresdner Labor erstmals die vorhandenen Gensequenzen von 12 Wurmarten vergleichen. Die rechnerische Auswertung findet am HITS statt: Mit neuen Algorithmen will Schloissnig das DNA-Puzzle der Plattwürmer zusammensetzen. Plattwürmer sind für die Wissenschaftler interessant, weil sie Meister der Regeneration sind: Zerteilt man sie, können sich aus den Einzelstücken wieder ganze Würmer bilden. So gut und so schnell wie die Plattwürmer schafft das kein anderes Tier. „Wir konzentrieren uns zunächst auf Schmidtea mediterranea, den interessantesten Plattwurm für die Regenerative Medizin“, so Schloissnig. „Danach werden wir einige andere Arten aus diesem Stamm sequenzieren.“ Die Forscher hoffen aus dem Erbgutvergleich neue Erkenntnisse für die Regenerative Medizin der Zukunft zu gewinnen. Hier geht es um Verfahren, mit denen funktionsuntüchtige Zellen, Gewebe und Organe ersetzt werden sollen, beispielsweise durch gezüchtete Gewebe, oder indem körpereigene Regenerations- und Reparaturprozesse angeregt werden.

Das HITS verfügt mit der neuen Juniorgruppe über insgesamt drei Forschungsgruppen, die sich mit mathematischen Methoden und Computersimulationen biologischen und medizinischen Fragen stellen. In diesem Jahr werden weitere Forschungsgruppen etabliert werden, unter anderem eine zweite Gruppe in der Theoretischen Astrophysik und eine Gruppe, die sich mit rechnerischer Statistik befasst. Im Jahr 2014 soll das HITS seine geplante Größe erreichen, mit insgesamt zehn Forschungsgruppen und weiteren Forschungseinheiten wie Juniorgruppen und assoziierten Forschern.

Pressekontakt:
Dr. Peter Saueressig
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
HITS Heidelberger Institut für Theoretische Studien
Tel: +49-6221-533-245
Fax: +49-6221-533-298
peter.saueressig@h-its.org
http://www.h-its.org

Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr. Siegfried Schloissnig
Junior Group Computational Biology
HITS Heidelberger Institut für Theoretische Studien
Tel: +49-6221-533-307
Fax: +49-6221-533-298
siegfried.schloissnig@h-its.org
http://www.h-its.org

HITS
Das Heidelberger Institut für Theoretische Studien wurde von SAP-Mitbegründer Klaus Tschira ins Leben gerufen und ist eine private, gemeinnützige Forschungseinrichtung. Als Forschungsinstitut der Klaus Tschira Stiftung betreibt das HITS Grundlagenforschung zur Verarbeitung und Strukturierung großer Datenmengen. Die Forschungsfelder reichen dabei von der Astrophysik bis zur Zellbiologie. Der Sitz des Instituts befindet sich auf dem Campusgelände Schloss-Wolfsbrunnenweg in Heidelberg.

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