Plasma im Beutel

Es klingt wie eine dieser trickreichen Denkaufgaben, bei denen man Streichholzfiguren verändert ohne etwas hinzuzufügen oder wegzunehmen: Wie verändert man das Innere eines geschlossenen Beutels ohne ihn zu öffnen?

Das geht nicht, würde man sofort meinen. Einem Forscherteam um Dr. Kristina Lachmann und Dr. Michael Thomas am Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST in Braunschweig ist es dennoch gelungen: Sie verwenden ein Plasma, um die Innenflächen von Plastikbeuteln, zu aktivieren.

Das heißt: Zum einen wirkt das Plasma desinfizierend, zum anderen verändert es die Oberfläche des Beutels, damit Zellen auf ihr wachsen wollen und können.

»Unser Ziel war, ein geschlossenes System zu bekommen, in dem Zellen ungestört wachsen, ohne die Gefahr von Verunreinigungen«, sagt Dr. Henk Garritsen vom Städtischen Klinikum Braunschweig. »Die Beschichtung mit Plasma bietet uns die Möglichkeit die Beutel als GMP-Labor einzusetzen. GMP steht für Good Manufacturing Practice – für Richtlinien zur Qualitätssicherung etwa bei der Produktion von Arzneimitteln«. Hintergrund des Ganzen ist die Stammzellenforschung und die Idee, Krankheiten mit Patienten-eigenen Stammzellen zu therapieren. Bislang nutzten Forscher für die Kultivierung von Stammzellen meist Petrischalen, Flaschen oder Bioreaktoren in möglichst keimfreier Umgebung. Doch zum Nachfüllen von Nährmedien oder Extrahieren von Zellen müssen diese Systeme geöffnet werden. Dabei kommt es immer wieder zu Verunreinigungen und die mühsam gezüchteten Zellen werden unbrauchbar.

Plasmaschichten für unterschiedliche Zelltypen

Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung arbeiteten Dr. Werner Lindenmaier und Dr. Kurt Dittmar bereits mit Beuteln, um Stammzellen zu kultivieren, doch ohne den gewünschten Erfolg. Die räumliche Nähe und die Expertise der IST-Forscher in Sachen Plasmabeschichtung brachten die Teams zusammen. Erste Tests zeigten, dass die Zellen auf plasmabeschichteten Folien wachsen. In einem gemeinsamen Projekt, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie BMWi gefördert wurde, sollte das geschlossene Beutelsystem plus Zellwachstum genauer erforscht werden.

Die Lösung ist: Beschichtung mittels Plasma. Dafür wird in herkömmliche Beutel, wie sie etwa für Infusionen verwendet werden, Edelgas gefüllt und elektrische Spannung angelegt. »So entsteht im Inneren des Beutels für kurze Zeit ein Plasma – ein leuchtendes, ionisiertes Gas, das die Kunststoffoberfläche chemisch verändert und zugleich desinfiziert«, erklärt Dr. Kristina Lachmann vom IST. In einer Pilotanlage am IST wurden Beutel beschichtet und am HZI sowie dem Klinikum getestet, welche Schicht für welche Art von Zelle am besten geeignet ist. »Wir arbeiten mit Stammzellen für Knochen, Knorpel, Fett oder Nerven – für jeden Zelltyp kann die Beschichtung angepasst werden«, sagt Dr. Kurt Dittmar. Mittlerweile ist die Pilotanlage am IST soweit, das die einzelnen Schritte für die Beschichtung automatisiert ablaufen.

Damit ist es möglich, standardisiert und reproduzierbar modifizierte Beutel für die Zellzüchtung herzustellen. »Wir verwenden für die Beschichtung, medizinisch zugelassene Beutel«, sagt Dr. Michael Thomas. »Nichtsdestotrotz muss die Unbedenklichkeit der Plasmabehandlung nachgewiesen werden, bevor sie eine Zulassung für die klinische Praxis bekommen«. Für die Entwicklung Plasma im Beutel zur Zellkultivierung in geschlossenen Systemen erhalten Dr. Kristina Lachmann, Dr. Michael Thomas, Dr. Henk Garritsen, Dr. Werner Lindenmaier und Dr. Kurt E.J. Dittmar den Fraunhofer-Preis »Technik für den Menschen«.

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Dr. rer. nat.KristinaLachmann Fraunhofer-Institut

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