Phosphathaushalt in höheren Organismen ergründet

Polyphosphatketten spielen in vielen Lebewesen eine wichtige physiologische Rolle, zum Beispiel um auch unter Mangelbedingungen Zellwachstum zu gewährleisten; allerdings ist über ihre Entstehung und Funktionsweise bisher wenig bekannt.

Chemiker und Biochemiker der Ruhr-Universität haben nun zusammen mit Forschern vom European Molecular Biology Laboratory in Heidelberg und der Universität Lausanne grundlegende Erkenntnisse über den Herstellungsmechanismus von Polyphosphatketten gewonnen.

Den Forschern ist es gelungen, die erste Röntgenstruktur des für den Bau verantwortlichen Enzyms aus höher entwickelten Lebewesen (Eukaryonten) zu bestimmen und wesentliche biochemische Abläufe zu charakterisieren. Aufgrund der Ergebnisse können die katalytischen Prozesse auf molekularer Ebene genau beschrieben werden. Damit ist die Grundlage für weitere, gezielte Forschungsaktivitäten zur Rolle von Polyphosphaten geschaffen. Die Forscher berichten in der aktuellen Ausgabe des Magazins Science.

Charakterisierung ist ein Meilenstein

Das untersuchte Enzym VTC (vacuolar transporter chaperone) verwendet die in Zellen universelle „Energiewährung“ ATP (Adenosintriphosphat), um daraus Schritt für Schritt Phosphatketten aufzubauen. Damit wird ein Depot angelegt, auf das der Organismus unter Stressbedingungen zurückgreifen kann. Die Forscher konnten durch Einsatz strukturbiologischer und biophysikalischer Methoden zeigen, mit welchen molekularen Hilfsmitteln das Enzym den Umbau der Phosphate aus der Quelle ins Depot realisiert.

„Dabei ist besonders interessant, dass der Aufbau der kettenförmigen Depotsubstanz und deren gleichzeitiger Transport in eine zelluläre Untereinheit mit Hilfe einer tunnelartigen Proteinstruktur erfolgt“, erklärt Prof. Dr. Christian Herrmann (Lehrstuhl Physikalische Chemie I). Das Enzym VTC ist Teil eines größeren Protein-Komplexes, der durch eine innere Membran der Zelle reicht. Seine Charakterisierung stellt einen Meilenstein für die Erforschung von ATP-abhängigen Membranprozessen dar.

Proteine: Eine Stärke der RUB

An der Ruhr-Universität hat sich in den vergangenen Jahren eine besondere Stärke im Bereich der Protein-Forschung etabliert, die sich vor allem in der erfolgreichen Fortführung des Sonderforschungsbereichs 642 („ATP- und GTP-abhängige Membranprozesse“) und der Gründung des Protein-Research Departments zeigt. Die besondere experimentelle Ausstattung und die Erfahrung der dort aktiven Wissenschaftler schaffen die Grundlage, um Probleme der modernen Life Sciences mit der notwendigen Effizienz im internationalen, stark konkurrierenden Forschungsumfeld anzugehen und zeitnah zu lösen. „Besonders erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass der Biochemiker Mark Wehner als Stipendiat aus der Research School der RUB den maßgeblichen Beitrag auf der Bochumer Seite geliefert hat und damit das Konzept der Förderung von wissenschaftlichem Nachwuchs im Rahmen der Exzellenzinitiative bestätigt wird“, unterstreicht Prof. Herrmann.

Titelaufnahme

Hothorn M, Neumann H, Lenherr ED, Wehner M, Rybin V, Hassa PO, Uttenweiler A, Reinhardt M, Schmidt A, Seiler J, Ladurner AG, Herrmann C, Scheffzek K, Mayer A: „Catalytic core of a membrane-associated eukaryotic polyphosphate polymerase.“ In: Science 324, 513-516, 24. April 2009, DOI: 10.1126/science.1168120

Weitere Informationen

Prof. Dr. Christian Herrmann, Physikalische Chemie I, Fakultät für Chemie und Biochemie der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, NC 6/76, Tel. 0234/32-24173, E-Mail: chr.herrmann@rub.de

Redaktion: Meike Drießen

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Dr. Josef König idw

Weitere Informationen:

http://www.ruhr-uni-bochum.de/

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