Partnerschaften im Gehirn
Wie kommunizieren Nervenzellen im Gehirn miteinander? Eine gängige Theorie besagt, dass nicht einzelne Zellen Signale untereinander austauschen. Stattdessen findet dieser Austausch zwischen Zellverbünden statt.
Forscher aus Japan, den USA und Deutschland haben nun ein mathematisches Modell entwickelt, mit dem sich diese Annahme überprüfen lässt. Die Ergebnisse ihrer Arbeit präsentieren sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „PLoS Computational Biology“.
Eine Nervenzelle im Neokortex – dem Teil des Gehirns, der für höhere Hirnfunktionen zuständig ist – nimmt Kontakt zu Tausenden anderen Neuronen auf und empfängt von ihnen auch eine Vielzahl von Signalen. Wie die Neuronen dadurch zusammenarbeiten, lässt sich aus gemessenen Signalen bisher nur schwer interpretieren. Forscher des RIKEN Brain Science Institute (BSI) in Japan haben nun zusammen mit Wissenschaftlern des Forschungszentrums Jülich
(Deutschland) und des Massachusetts Institute of Technology in Boston (USA) ein mathematisches Modell entwickelt, das in dieser Hinsicht Klarheit schaffen könnte.
„Aus den vielen gleichzeitig gemessenen Signalen filtert das neue Verfahren Informationen, ob die Neuronen einzeln kommunizieren oder als Verbund“, so Dr. Hideaki Shimazaki vom BSI. „Darüber hinaus berücksichtigt das Modell, dass diese Zellverbünde keine festen Gruppierungen sein müssen, sondern sich innerhalb von Millisekunden flexibel umgruppieren können – abhängig von den aktuellen Anforderungen im Gehirn.“
Prof. Sonja Grün vom Forschungszentrum Jülich hofft, dass es den Forschern mit diesem Verfahren gelingt, die Existenz dynamischer Zellverbände nachzuweisen und deren Aktivität eindeutig bestimmten Verhaltensweisen zuzuordnen. Die Wissenschaftler konnten bereits zeigen, dass Nervenzellen zusammenfinden, wenn Tiere ein Signal erwarten. Die Tiere können dadurch schneller beziehungsweise empfindlicher reagieren.
In der Zukunft wollen die Forscher lernen, ihre Methoden auf gleichzeitig aufgezeichnete Signale von Hunderten von Neuronen anzuwenden. Dadurch wäre die Wahrscheinlichkeit größer, Zellverbünde zu beobachten, die an der Planung und Steuerung von Verhalten beteiligt sind.
Originalveröffentlichung:
Shimazaki H., Amari S-i., Brown E. N., Grün S. (2012) State-Space Analysis of Time-Varying Higher-Order Spike Correlation for Multiple Neural Spike Train Data. PLoS Comput Biol 8(3): e1002385.
doi:10.1371/journal.pcbi.1002385
http://www.ploscompbiol.org/article/info:doi/10.1371/journal.pcbi.1002385
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Mit der Gründung des RIKEN Brain Science Institute (BSI) im Oktober 1997 wurde dem wachsenden gesellschaftlichen Bedarf nach Hirnforschung auf Spitzenniveau Rechnung getragen. Das BSI ist seitdem ein Anziehungspunkt für vielversprechende Wissenschaftler aus Japan und dem Ausland und hat verschiedene wissenschaftliche und personelle Ressourcen zusammengebracht.
Es genießt heute weltweit einen ausgezeichneten Ruf als innovatives Hirnforschungszentrum.
Die Forschung am BSI umfasst ein breites Spektrum wissenschaftlicher Disziplinen, darunter Medizin, Biologie, Physik, Ingenieurwissenschaften, Informationswissenschaften, Mathematik und Psychologie. Zu den Forschungsthemen des Instituts gehören einzelne Organismen, Verhalten, mikroskopische Molekülstrukturen im Gehirn, Neuronen, neuronale Schaltkreise, Kognition, Gedächtnis, Lernen, Spracherwerb und Robotik.
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