nMLF-Nervenzellen machen Fische schneller

Nervenzellen der Netzhaut (grün) schicken ihre Verbindungen von den Augen (gelb) ins Gehirn der Zebrafischlarve. In Rot erscheinen die Zellen, die Gehirn und Rückenmark miteinander verbinden. (c) MPI für Neurobiologie / Portugues

Wissenschaftler der Harvard Universität und des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie in Martinsried fanden nun einzelne Nervenzellen im Hirn von Zebrafischlarven, die ihre Schwimmgeschwindigkeit steuern. Auch menschliche Bewegungen werden über ZMG gesteuert. Dank dieser Ergebnisse lässt sich besser verstehen, wie das Gehirn rhythmische Bewegungen moduliert.

Schon in früher Kindheit lernen wir, die Füße in einem gleichmäßigen Rhythmus voreinander zu setzen. Einmal gelernt, sorgen kleine Nervenzellansammlungen im Rückenmark, die zentralen Mustergeneratoren (ZMG), dafür, dass diese Abfolge nahezu automatisch läuft: Wir müssen nicht bei jedem Schritt neu überlegen, wann und wie weit wir den nächsten Fuß setzen. Einmal in Gang gesetzt schicken die ZMG-Nervenzellen ihre Impulse auch ohne weitere Anstöße. Doch wie werden diese Zellen angeregt und wie teilt ihnen das Gehirn mit, wie schnell die Beine bewegt werden müssen?

Fische mit Viergang-Getriebe

Ruben Portugues und seine Kollegen haben an Zebrafischlarven untersucht, wie Gehirn und ZMG miteinander verbunden sind. Die Tiere verfügen über verschiedene Methoden, um ihre Geschwindigkeit zu erhöhen: Sie können länger mit ihrem Schwanz schlagen, den Schwanz stärker bewegen, die Zeit zwischen den Perioden mit Schwanzbewegungen verkürzen oder in einen ganz anderen Bewegungsrhythmus oder Gang wechseln – ähnlich einem Pferd, das von Trab in den Galopp wechselt.

Um zu verstehen, wie das Gehirn diese verschiedenen Schwimmarten auslöst, konzentrierten sich die Neurobiologen auf eine Gruppe von zirka 20 Nervenzellen, die ihre Fortsätze vom Mittelhirn ins Rückenmark aussenden. Es war bekannt, dass die Zellen dieser nMLF-Region während des Schwimmens aktiv sind. Nun konnten die Wissenschaftler zeigen, dass das Stimulieren dieser Zellen Schwimmbewegungen ausgelöst.

Wie die Forscher nun im Fachjournal Neuron berichten, erhalten die Zellen des zentralen Mustergenerators den ersten Anstoß für eine Bewegung somit von Nervenzellen der nMLF-Region. Zudem fanden sie heraus, dass es den Fischen zudem nahezu unmöglich ist, ihre Schwimmgeschwindigkeit zu verändern, wenn vier bestimmte nMLF-Zellen ausgeschaltet werden.

Nicht mehr sondern vermehrte Aktivität

Die Aktivität von Nervenzellen kann mit Hilfe von Kalzium-empfindlichen Farbstoffen sichtbar gemacht werden. Da Zebrafischlarven durchsichtig sind, konnten die Wissenschaftler die Aktivität einzelner nMLF-Zellen direkt durch das Mikroskop beobachten. „Richtig spannend wurde es, als die Tiere dann zwischen den verschiedenen Geschwindigkeiten wechselten“, berichtet Ruben Portugues, der seit kurzem eine Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Neurobiologie leitet. „Wir hatten eigentlich erwartet, dass für schnelleres Schwimmen einfach mehr nMLF-Zellen gleichzeitig aktiv sind.“

Stattdessen fanden die Wissenschaftler heraus, dass bereits aktive Nervenzellen beim schnelleren Schwimmen noch aktiver werden. „Wie eine höhere Aktivität im Detail zu schnelleren Bewegungen führt, wissen wir noch nicht“, so Portugues. Die Wissenschaftler konnten jedoch zeigen, dass einzelne nMLF-Zellen, die sogenannten MeLR-Zellen, die Länge der Schwimmphasen und sogenannte MeLc-Zellen die Schlagfrequenz des Schwanzes steuern. Bisher waren die nMLF-Region und ihre Zellen zwar bekannt, doch niemand wusste, was sie steuern oder wie sie dies tun. „Nun, da wir sozusagen das Getriebe für die Schwimmbewegungen gefunden haben, ist die nächste Frage wie und wo das Gehirn entscheidet, welchen Gang es einlegen möchte“, fasst Ruben Portugues die nächste Herausforderung zusammen.

Originalveröffentlichung:
Kristen Severi*, Ruben Portugues*, Joao Marques, Donald O'Malley, Michael Orger, Florian Engert (*gleichrangiger Beitrag)
Neural control and modulation of swimming speed in the larval zebrafish
Neuron, 24. Juli 2014

Kontakt:
Dr. Stefanie Merker
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Neurobiologie, Martinsried
Tel.: 089 8578 – 3514
E-Mail: merker@neuro.mpg.de
www.neuro.mpg.de

Dr. Ruben Portugues
Max-Planck-Forschungsgruppe Sensomotorische Kontrolle
Max-Planck-Institut für Neurobiologie, Martinsried
Tel.: 089 8578 3492
Email: rportugues@neuro.mpg.de

http://www.neuro.mpg.de – Webseite des MPI für Neurobiologie
http://www.neuro.mpg.de/portugues/de – Webseite der Gruppe von Dr. Ruben Portugues

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