Neues Stoffwechsel-Modell bietet Einblick in Alzheimer-Krankheit

Wissenschaftlern aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Universität Heidelberg erstellten zusammen mit amerikanischen Kollegen ein Modell der Stoffwechselprozesse im Gehirn, das Faktoren aufdeckt, die der Krankheit zugrunde liegen.

Sie zeigen, dass im erkrankten Gehirn die Aktivität eines wichtigen Enzyms reduziert ist. Bestimmte Nervenzellen können dies jedoch ausgleichen, indem sie ihren Stoffwechsel umleiten. Die beteiligten deutschen Wissenschaftler wurden vom Nationalen Genomforschungsnetz, dem NGFN, gefördert.

Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Ursache einer Altersdemenz. Verschiedene Experimente zeigten, dass sich die Stoffwechselraten in verschiedenen Hirnregionen bereits einige Jahre vor dem Einsetzen erster Krankheitssymptome verändern. Mit einem neuen bioinformatischen Modell können Stoffwechselwege zwischen verschiedenen Zelltypen innerhalb eines Gewebes vorhergesagt werden. Auf diesem Wege wurden für das menschliche Gehirn drei Modelle erstellt, die wichtige Signalwege und Reaktionen des Stoffwechsels verschiedener Typen von Nervenzellen erfassen und insgesamt gut 400 Gene einschließen.

„Besonders spannend ist, dass unser Modell bekannte Phänomene bestätigt und wir außerdem neue Schlüsse ziehen können, die relevant für die Erkrankung sind“, erklärt Dr. Rainer König. Er leitet eine Forschungsgruppe in der Abteilung von Prof. Dr. Roland Eils, die sowohl an der Universität Heidelberg, als auch am Deutschen Krebsforschungszentrum angesiedelt ist. Gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Dr. Gunnar Schramm erkannte Dr. König, dass bei Alzheimer-Patienten der Energiestoffwechsel in einigen Hirnregionen stark vermindert war, obwohl die Zellen histologisch unauffällig waren.

Die neuen bioinformatischen Modelle bestätigten, dass nicht alle Nervenzelltypen gleichermaßen von den verheerenden Folgen der Alzheimer-Krankheit betroffen sind. Dabei erwies sich die verminderte Aktivität eines Schlüsselenzyms, der α-Ketoglutarat-Dehydrogenase, als wahrscheinliche Erklärung. Die Aktivität dieses Enzyms ist bei Alzheimer-Patienten deutlich reduziert. Einem bestimmten Nervenzelltyp, ist es möglich, den Aktivitätsverlust des Enzyms durch eine Umleitung der Stoffwechselflüsse auszugleichen, wie die neuen Ergebnisse belegen. Hierfür scheint das Enzym Glutamat-Dehydrogenase (GAD) verantwortlich zu sein. Die experimentellen Daten unterstützen dessen Schutzfunktion, da in besonders geschädigten Hirnregionen verstorbener Alzheimer-Patienten nur eine geringere GAD-Menge nachweisbar war.

Die stetige Verbesserung experimenteller Methoden liefert immer präzisere neue Daten. Dadurch werden neu entwickelten Modelle weiter verbessert und erlauben daher immer genauere Vorhersagen über das Krankheitsgeschehen. Je genauer verschiedene Zelltypen und Hirnregionen im Modell aufgeschlüsselt werden können, desto größer ihr Nutzen, so erwarten die Forscher: Ein besseres Verständnis der Stoffwechselprozesse im Gehirn könnte ein erster Schritt zur Behandlung der unheilbaren Alzheimer-Krankheit sein.

Nathan E Lewis, Gunnar Schramm, Aarash Bordbar, Jan Schellenberger, Michael P Andersen, Jeffrey K Cheng, Nilam Patel, Alex Yee, Randall A Lewis, Roland Eils, Rainer König Bernhard Ø Palsson: Large-scale in silico modeling of metabolic interactions between cell types in the human brain. Nature Biotechnology advance online publication 21.11.2010: http://dx.doi.org/10.1038/nbt.1711

Nationales Genomforschungsnetz (NGFN)
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Untersuchung neuronaler Erkrankungen seit 2001 im Nationalen Genomforschungsnetz (NGFN). Die Förderung wird seit 2008 im Bereich NGFN-Plus in dem Programm der Medizinischen Genomforschung fortgeführt. Die hier vorgestellten Arbeiten wurden unter Beteiligung des Integrierten Genomforschungsverbundes ENGINE im Rahmen von NGFN-Plus angefertigt. www.ngfn.de
Kontakt:
PD Dr. Rainer König
BioQuant, Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie
Universität Heidelberg und Deutsches Krebsforschungszentrum
Tel.: 06221-422720
E-Mail: koenig@uni-heidelberg.de

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Dr. Stefanie Seltmann idw

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