Neues Instrument zur Erforschung von Ionenkanälen – Gifte von Kegelschnecke und Trichterspinne helfen dabei

Ionenkanäle in der Zellmembran ermöglichen die Kommunikation von Zellen mit ihrer Umgebung und sind daher lebenswichtig. Die Forscher entwickelten ein System, mit dem es erstmals möglich ist, gezielt und langandauernd die Funktion einzelner Ionenkanäle von Säugetieren zu untersuchen und mit Toxinen zu blockieren. In transgenen Mäusen konnten sie, durch ein in den Organismus eingebrachtes Toxin-Gen chronische Schmerzen zu blockieren (Nature Method, doi:10.1038/NMETH.1425).

Es gibt schätzungsweise 500 verschiedene Arten von Kegelschnecken, die jede 50 bis 200 verschiedene Toxine produzieren. Aber auch Schlangen, Spinnen, Seeanemonen oder Skorpione produzieren Giftstoffe. Sie lähmen damit bei der Jagd ihre Beute. Forscher schätzen, dass es über 100 000 solcher Giftstoffe gibt. Sie sind für die Wissenschaft interessant, da Forscher mit ihrer Hilfe hoffen, gezielt die Funktion der verschiedensten Ionenkanäle untersuchen zu können. Dabei geht es auch darum, Krankheitsprozesse zu erkennen und möglicherweise Ansätze für neue Therapien zu entwickeln, etwa um zu aktive Ionenkanäle zu blockieren. So gibt es bereits einen Wirkstoff für die Behandlung von Patienten mit schwersten chronischen Schmerzen, der auf einem Toxin einer Meeresschnecke basiert (Ziconotid).

Die Forschungsgruppe von Dr. Ibañez-Tallon konzentriert sich auf zwei von derzeit zehn bekannten Ionenkanälen in der Membran von Nervenzellen, die auf elektrische Erregung (Aktionspotential) reagieren und daraufhin den Einstrom von Kalziumionen in die Zelle ermöglichen. Als Folge schüttet die Zelle Botenstoffe des Nervenssystems (Neurotransmitter) aus, welche das Signal dann auf eine nachgeschaltete Nervenzelle übertragen.

Bisher setzten Forscher für ihre Untersuchungen Toxine von Kegelschnecken und der Trichterspinne ein, da sie speziell an die beiden Kalziumionenkanäle binden, die die Forscher interessieren. Die löslichen Gifte haben aber den Nachteil, dass sie, wenn sie in Gewebe injiziert werden, auch entfernter gelegende Ionenkanäle ansteuern und ihre Wirkung außerdem nicht lange anhält.

Sebastian Auer, Annika S. Stürzebecher und Dr. Ibañez-Tallon ist es gelungen, dieses Problem mit Hilfe der Gentechnik zu umgehen. Sie entwickelten mit Lentiviren ein Shuttle, mit dem sie die Gene der Toxine in Nervenzellen schleusen, um sie in das Genom der Zelle einzubauen. Die Zelle kann, wenn das Gen angeschaltet ist, Toxine produzieren, die gezielt an die von den Forschern zur Untersuchung ausgewählten Kalziumionenkanäle binden und zwar langandauernd. Damit haben sie den ersten Schritt erreicht – die gezielte und langanhaltende Ankopplung eines Toxins an einen ganz bestimmten Ionenkanal.

In einem zweiten Schritt konnten sie zeigen, dass sie auch in lebenden Tieren die Gene von Toxinen gezielt und langandauernd anschalten können, um Ionenkanäle zu untersuchen. In transgenen Mäusen gelang es ihnen, mit den Toxinen bestimmte Kalziumionenkanäle zu blockieren und damit chronische Schmerzen der Tiere zu unterbinden.

*Silencing neurotransmission with membrane-tethered toxins
Sebastian Auer1,4, Annika S Stürzebecher1,4, René Jüttner2, Julio Santos-Torres1, Christina Hanack1, Silke Frahm1, Beate Liehl1 & Inés Ibañez-Tallon1

1Molecular Neurobiology group and 2Developmental Neurobiology group, Department of Neuroscience, Max Delbrück Center for Molecular Medicine, Berlin, Germany. 3Present address: Novartis Pharma AG, Basel, Switzerland. 4These authors contributed equally to this work. Correspondence should be addressed to I.I.-T. (ibanezi@mdc-berlin.de).

Barbara Bachtler
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