Neuer Mikroorganismus "Nitrososphaera viennensis" isoliert

Die WissenschafterInnen präsentieren in der aktuellen Ausgabe des renommierten Fachjournals PNAS ihre Ergebnisse zu „Nitrososphaera viennensis“ – dem „sphärischen Ammoniumoxidierer aus Wien“.

Ohne die Stoffwechselleistungen der kleinsten aller Lebewesen, der Bakterien und Archaea, wäre ein Leben auf der Erde nicht möglich. Diese Mikroorganismen spielen eine zentrale Rolle in den großen Stoffkreisläufen, indem sie organische Materie zersetzen und die erhaltenen Grundbausteine in die Atmosphäre zurückführen oder für neues Leben verfügbar machen. „Doch erst seitdem molekularbiologische Methoden eingesetzt werden, wissen wir, dass eine enorme Zahl und Vielfalt von Bakterien und Archaea in Böden vorzufinden ist“, sagt Christa Schleper, Leiterin des Departments für Ökogenetik der Universität Wien.

Mithilfe solcher molekularer Methoden haben MitarbeiterInnen, die heute am Department für Ökogenetik der Universität Wien tätig sind, vor sechs Jahren Archaea in großer Zahl in Böden vorhergesagt. Seither wurde vermutet, dass diese einen wichtigen Beitrag zum Stickstoffkreislauf liefern in Form der Oxidation von Ammonium zu Nitrit.

Aus dem Garten des Universitätszentrums Althanstraße

Nunmehr gelang den ForscherInnen um Christa Schleper, das erste ammoniumoxidierende Archaeon aus Böden in Reinkultur zu isolieren und seine Aktivität direkt nachzuweisen. Es stammt aus dem Garten des Universitätszentrums Althanstraße im 9. Wiener Gemeindebezirk und trägt aufgrund seiner Form und Herkunft den Namen „Nitrososphaera viennensis“, der „sphärische Ammoniumoxidierer aus Wien“. Eine einzelne Zelle weist einen Durchmesser von nur 0,8 Mikrometern auf, somit 0,8 Millionstel Meter.

Ursprünglicher Organismus?

Die meisten Archaea leben an extremen Standorten, etwa vulkanischen Quellen. Sie werden daher in Fachkreisen häufig als urzeitliche mikrobielle Lebensformen angesehen. „Auch 'Nitrososphaera viennensis' mag ein ursprünglicher Organismus sein. Denn anders als seine bakteriellen Gegenstücke, die sich besonders gut in gedüngten Ackerböden vermehren, bevorzugt er nährstoffarme Medien, die eher einer Umgebung in unberührten Böden entsprechen“, so Schleper.

Forschungsergebnisse dank NanoSIMS

Im Gegensatz zu bakteriellen Ammoniumoxidierern benötigt „Nitrososphaera viennensis“ neben Ammonium und Kohlendioxid zusätzlich geringe Mengen organischer Kohlenstoffquellen zum Wachstum. Dies wiesen die WissenschafterInnen mithilfe des hochmodernen Messgeräts NanoSIMS nach. Dabei handelt es sich um ein Sekundärionenmassenspektrometer mit einer Auflösung im Nanometerbereich. Das Instrument wurde erst vor kurzem durch das Department für mikrobielle Ökologie und mit Unterstützung mehrerer Fakultäten der Universität Wien angeschafft. Es wird von WissenschafterInnen der Fakultät für Lebenswissenschaften, der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie, der Fakultät für Chemie sowie der Max. F. Perutz Laboratories genutzt.

Landwirtschaftliche Relevanz

„Nitrososphaera viennensis“ ist der erste kultivierte Vertreter von archaealen Ammoniumoxidierern und damit ein Modellorganismus dieser ökolologisch wichtigen Gruppe von Mikroorganismen. Das Studium dieser Spezies ist auch von Interesse für die Landwirtschaft: „Ammoniumoxidation hat einen großen Einfluss auf die Verfügbarkeit von Stickstoff für Pflanzen und auf die Anreicherung von Nitrat in Gewässern“, erklärt Schleper.

Die Forscherin sieht ein breites Feld für künftige Studien, etwa „Nitrososphaera viennensis“ auf die Fähigkeit zu überprüfen, N2O (Lachgas) zu bilden. Dieses von anderen Ammoniumoxidierern in beachtlichen Mengen ausgeschiedene Nebenprodukt trägt zum Abbau der Ozonschicht bei und spielt damit eine Rolle für die Erderwärmung. „Da Organismen wie 'Nitrososphaera viennensis' weitverbreitet sind und bis zu 10 Millionen Zellen dieser Archaea in nur einem Gramm Boden zu finden sind, ist es wichtig, ihren Beitrag zu solchen Prozessen abschätzen zu können“, so Schleper.

Publikation
Nitrososphaera viennensis, an ammonia oxidizing archaeon from soil.
Maria Tourna, Michaela Stieglmeier, Anja Spang, Martin Könneke, Arno Schintlmeister, Tim Urich, Marion Engel, Michael Schloter, Michael Wagner, Andreas Richter und Christa Schleper. In: PNAS Online Early Edition, 25. April 2011

DOI: 10.1073/pnas.1013488108

Wissenschaftlicher Kontakt
Univ.-Prof. Dipl.-Biol. Dr. Christa Schleper
Leiterin des Departments für Ökogenetik
Universität Wien
1090 Wien, Althanstraße 14 (UZA I)
T +43-1-4277-578 00
M +43-664-602 77-578 00
christa.schleper@univie.ac.at
http://genetics-ecology.univie.ac.at
Rückfragehinweis
Mag. Alexander Dworzak
Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien
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M +43-664-602 77-175 31
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