Neue Menschenform entdeckt

Archäologen in der Denisova-Höhle im August 2005. Hier wurde das winzig kleine Stück Fingerknochen gefunden. Bild: MPI für evolutionäre Anthropologie / Krause<br>

Ein internationales Forscherteam vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig hat uralte mitochondriale DNA aus einem in Südsibirien gefundenen Fingerknochen sequenziert. Sie stammt von einer bislang unbekannten Menschenform, die vor etwa 48.000 bis 30.000 Jahren im Altai-Gebirge in Zentralasien gelebt hat. Dieses mitochondriale Erbgut, das von der Mutter an die Nachfahren vererbt wurde, ist ein Hinweis auf eine neue Auswanderungswelle aus Afrika. Sie unterscheidet sich von derjenigen, die Homo erectus, Vorfahren der Neandertaler und des Homo sapiens beschritten haben (Nature, 24. März 2010).

Die erste Gruppe von Homininen, die Afrika vor etwa 1,9 Millionen Jahren verließ, war Homo erectus. Archäologische Funde sowie genetische Daten deuten darauf hin, dass wenigstens zwei weitere Gruppen Afrika später verließen: Zuerst, vor etwa 500.000 bis 300.000 Jahren, die Vorfahren des Neandertalers. Danach, vor etwa 50.000 Jahren, der anatomisch moderne Mensch. Direkte Nachfahren von Homo erectus könnten bis vor weniger als 100.000 Jahren in Indonesien überlebt haben. Ältere Vertreter von Homo erectus und Homo heidelbergensis lebten auch in nördlicheren Breitengraden, zum Beispiel vor mehr als 125.000 Jahren im Altai-Gebirge im südlichen Sibirien. Auch Neandertaler lebten zu dieser Zeit in Sibirien.

Johannes Krause, Svante Pääbo und Kollegen vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben nun mitochondriale DNA aus einem winzigen Stück eines Fingerknochens sequenziert. Der Knochen wurde 2008 in der Denisova-Höhle im Altai-Gebirge im südlichen Sibirien gefunden. Sie verglichen die uralte DNA aus den Mitochondrien, den „Kraftwerken der Zelle“, mit der mitochondrialen DNA von Neandertalern und heute lebenden Menschen. Dabei stellte es sich heraus, dass sich die Mitochondrien-DNA dieses Homininen aus Südsibirien deutlich von der aller bisher bekannten Homininen unterscheidet.

Wie eine detaillierte Analyse des Mitochondrien-Erbguts zeigte, hatte dieser Hominine vor etwa 1,0 Millionen Jahren einen gemeinsamen Vorfahren mit dem modernen Menschen und dem Neandertaler. Dieser gemeinsame Vorfahre ist etwa doppelt so alt, wie der auf der Basis ihrer mitochondrialen DNA bestimmte gemeinsame Vorfahre von anatomisch modernen Menschen und Neandertaler. Darüber hinaus deutet das Alter des Fossils darauf hin, dass diese unbekannte Menschenform in Südsibirien parallel zu Neandertalern und modernen Menschen gelebt haben könnte.

Originalveröffentlichung:

Johannes Krause, Qiaomei Fu, Jeffrey M. Good, Bence Viola, Michael V. Shunkov, Anatoli P. Derevianko & Svante Pääbo
The complete mitochondrial DNA genome of an unknown hominin from southern Siberia

Nature, 24. März 2010, DOI: 10.1038/nature08976

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Johannes Krause, Abteilung für Evolutionäre Genetik
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig
Tel.: +49 341 3550-517
E-Mail: krause@eva.mpg.de
Svante Pääbo, Abteilung für Evolutionäre Genetik
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig
Tel.: +49 341 3550-500
E-Mail: paabo@eva.mpg.de
Sandra Jacob, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig
Tel.: +49 341 3550-122
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