Neu entdeckter Regulationsprozess erklärt pflanzliche Entwicklung

Leitgewebe wie die Blattadern dieses Feigenblattes durchziehen den gesamten Pflanzenkörper und versorgen sie mit Wasser und Salzen aus dem Boden. (Foto: C. Schwechheimer/ TUM)

Pflanzen bilden während ihres Wachstums über Wochen, Monate und Jahre ständig neue Blätter, Äste und Wurzeln. Diese entstehen zunächst durch Zellteilungen, wonach sich die Zellen in hoch komplexen, aber geordneten Prozessen weiterentwickeln.

Ein Ergebnis dieser Entwicklungsprogramme sind die Leitgewebe der Pflanzen, welche für das menschliche Auge in Form von Blattadern sichtbar sind. Die Leitgewebe durchziehen den gesamten Pflanzenkörper und versorgen die Pflanze über das sogenannte Xylem mit Wasser und Salzen aus dem Boden und über das sogenannte Phloem mit Stoffwechselprodukten wie etwa Zuckern aus der Photosynthese.

„Woher aber weiß eine neu entstandene Zelle, dass sie beispielsweise eine Phloemzelle werden soll?“ fragt Professor Claus Schwechheimer vom Lehrstuhl für die Systembiologie der Pflanzen und Co-Autor der Studie. „An der Beantwortung dieser Frage haben wir zusammen mit unseren Kollegen aus Lausanne über mehrere Jahre geforscht.“ Wie der Mechanismus in den Pflanzen funktioniert, erläutern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun in der aktuellen Ausgabe von „Nature“.

Warum wird eine Zelle zur Phloemzelle?

„Bereits im Jahr 2009 hat das Team in Lausanne gezeigt, dass Pflanzen, denen ein bestimmtes Protein (BRX) fehlt, Probleme haben, Phloemzellen zu bilden“, sagt Co-Autorin Lanassa Bassukas von der TUM. „Zugleich konnten sie beobachten, dass es sehr empfindlich auf das Pflanzenhormon Auxin reagiert. Je nachdem, ob der Auxinwert niedrig oder hoch war, befand sich das Protein an der Zellmembran oder wurde im Zellinneren abgebaut.“

Dies wurde relevant, als die TUM-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen neuen, als PAX bezeichneten Regulator entdeckten. Mit seiner Hilfe kann das Auxinhormon über Transporterproteine aus der Zelle geschleust werden. Genauso wie Pflanzen mit einem Defekt im BRX-Protein hatten auch Pflanzen ohne PAX weniger Phloemzellen.

„Bemerkenswert war für uns zum Einen, dass der PAX-Regulator durch das BRX-Protein gebremst werden konnte. Und zum Anderen, dass PAX umso aktiver wurde, je mehr Auxin sich in der Zelle befand“, erklären Martina Kolb und Ulrich Hammes von der TU München, die mit ihren Auxintransporterstudien wichtige Befunde für das neue Modell lieferten.

Demnach staut sich in einer neu entstandenen Zelle zunächst das Auxin an. Denn BRX verhindert, dass das aus den anderen Phloemzellen kommende Hormon mit Hilfe des PAX-Regulators aus der Zelle geschleust werden kann. Das über die Zeit angehäufte Auxin führt in Folge dazu, dass BRX abgebaut wird, wodurch der nun aktivierte PAX-Regulator das Auxin aus der Zelle schickt. Da das BRX-Protein mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung wieder neu gebildet wird und dann den Auxintransport blockiert, stellt sich das System wie ein Widerstandsregler immer wieder selbst ein.

Viele Prozesse in der pflanzlichen Entwicklung sind von Auxintransport und PAX-ähnlichen Regulatoren abhängig. Mit der Entdeckung der negativen Regulation über das Protein ist eine neue Kontrollebene aufgedeckt worden, die ebenso in anderen Prozessen anwendbar sein könnte.

Publikation:
P. Marhava, A.E.L. Bassukas, M. Zourelidou, M. Kolb, B. Moret, A. Fastner, W.X. Schulze, P. Cattaneo, U. Z. Hammes, C. Schwechheimer, and C.S. Hardtke: A molecular rheostat adjusts auxin flux to promote root protophloem differentiation, Nature 6/2018.
DOI: 10.1038/s41586-018-0186-z

Kontakt:
Prof. Dr. Claus Schwechheimer
Technische Universität München
Lehrstuhl für die Systembiologie der Pflanzen
Tel.: 0049/8161/71 2880
claus.schwechheimer@mytum.de

http://www.tum.de/die-tum/aktuelles

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