Nano-Aggregation auf Befehl

Lichtregulierte reversible Anordnung von Mikrotubuli durch Paclitaxel-modifiziertes Cyclodextrin (c) Wiley-VCH

Eine Kombination aus natürlichen Mikrotubuli und künstlichen makrozyklischen Rezeptoren ermöglicht eine durch Licht gesteuerte, reversible Aggregation der Mikrotubuli zu größeren Nanostrukturen.

Wie chinesische Wissenschaftler in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichten, können die aggregierten Mikrotubuli in einem zellulären Umfeld zudem die Zellmorphologie ändern und den Zelltod auslösen. Sie erhoffen sich neue Erkenntnisse über Krankheiten, die durch eine falsche Aggregation von Proteinen verursacht werden.

In der Natur spielt die Zusammenlagerung von Molekülen zu übergeordneten Strukturen eine wichtige Rolle. Dynamische Mikrotubuli etwa sind Proteinfilamente, die zusammen mit weiteren Komponenten das Zytoskelett unserer Zellen bilden. Während des Zellzyklus bauen sie sich abwechselnd auf und wieder ab.

Die Wissenschaftler von der Nankai University sowie dem Collaborative Innovation Center of Chemical Science and Engineering (Tianjin, China) hatten die Idee, Mikrotubuli mit künstlichen „Rezeptoren“ zu größeren supramolekularen Aggregaten zusammenzufügen, um innovative Biomaterialien herzustellen und neue Erkenntnisse über biologische Aggregationsvorgänge zu gewinnen.

Um die künstlichen Rezeptoren an die Mikrotubuli zu knüpfen, wählte das Team um Yu Liu das Krebsmedikament Paclitaxel. Es bindet an Mikrotubuli, blockiert so den Abbau des Zytoskeletts und damit die Zellteilung und führt zum Zelltod. Als Rezeptoren wählten die Forscher ein großes Becher-förmiges Molekül aus der Klasse der Cyclodextrine, makrozyklischer Moleküle, die in ihrem großen Hohlraum andere Moleküle als „Gast“ aufnehmen können.

Als Gast diente ihnen ein Arylazopyrazol (AAP), ein Molekül mit zwei aromatischen Ringen, die über eine Stickstoff-Stickstoff-Doppelbindung verbrückt sind und in zwei verschiedenen Formen vorliegen können: einer gewinkelten cis- und einer gestreckten trans-Form. Nur in der gestreckten Version passen sie in die Cyclodextrin-„Becher“. Der besondere Clou: Mit Licht zweier Wellenlängen kann AAP gezielt zwischen den beiden Form hin- und hergeschaltet werden.

Die Forscher bestückten Mikrotubuli mittels Paclitaxel als Bindeglied sowohl mit den „Bechern“ als auch mit den „Gästen“. Durch Bestrahlung mit sichtbarem bzw. mit UV-Licht konnten sie die Mikrotubuli dann zwischen einem aggregierten und einem nicht aggregierten Zustand hin- und herschalten, wie spektroskopische und mikroskopische Untersuchungen belegten. Diese zeigten eine breite Palette morphologischer Variationen von Nanofasern über Nanobänder bis hin zu Nanopartikeln verschiedener Größen.

Besonders interessant ist, dass diese Aggregation der Mikrotubuli auch in Zellen ausgelöst werden kann. Die Zellen schrumpfen und sterben ab. Der cytotoxische Effekt von Paclitaxel konnte so deutlich gesteigert werden.

Die Forscher hoffen, dass ihr Ansatz helfen könnte, Prozesse bei physiologischen und pathologischen Protein-Nanoassemblierungen besser zu verstehen und neue Perspektiven für die Behandlung von Krankheiten zu eröffnen, die durch eine falsche Aggregation von Proteinen verursacht werden.

Angewandte Chemie: Presseinfo 19/2018

Autor: Yu Liu, Nankai University (China), http://enstd.nankai.edu.cn/2017/1017/c6189a75401/page.htm

Link zum Originalbeitrag: https://doi.org/10.1002/ange.201804620

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.

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Dr. Karin J. Schmitz Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.

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