Ein Moos für sauberes Wasser – Abwasserreinigung mit dem PhyscoFilter

In den Schwellenländern schreitet die Industrialisierung schnell voran: Ungeklärte Abwässer verunreinigen dort das Trinkwasser. Doch auch Kläranlagen filtern längst nicht alle Rückstände heraus.

Das gilt für Pestizide, Medikamente und Hormone. Mit diesen „ungeklärten Fällen“ beschäftigen sich jetzt junge Forscherinnen und Forscher an der Technischen Universität München (TUM). Sie wollen eine verbreitete Moospflanze genetisch verändern – und sie zur kostengünstigen Minikläranlage für Arzneimittelbestandteile und Chemikalien machen.

Das Moos-Projekt ist der diesjährige Beitrag von TUM-Studierenden am internationalen iGEM-Wettbewerb (http://igem.org/About) für Synthetische Biologie, der 2013 zum neunten Mal am Massachusetts Institute of Technology (MIT) ausgetragen wird. Ziel des Wettbewerbs: Organismen sollen gentechnisch modifiziert werden – und mit neuen Eigenschaften einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen.

Abbauen und filtern: Wie wird das Wasser Chemikalien-frei?

Für ihre Experimente verwenden die Studierenden das Kleine Blasenmützenmoos (Physcomitrella patens). Um damit Schadstoffe aus dem Wasser zu entfernen, erprobt das iGEM-Team zwei Ansätze: „Zum einen wollen wir das Moos dazu bringen, gefährliche Substanzen zu harmlosen Stoffen abzubauen (Biodegradation); zum anderen soll es biologisch nicht-abbaubare Substanzen binden und so als Filter arbeiten (Bioakkumulation)“, erklärt Katrin Fischer. Sie studiert im 5. Semester Biochemie.

Für diese beiden Verfahren schleusen die Forscherinnen und Forscher selbst entworfene DNA-Bausteine in das Erbmaterial des Mooses ein. Diese kodieren für Proteine, die Chemikalien aufspalten oder die Schadstoffe binden. Damit ist das Moos unter anderem in der Lage, die weitverbreitete Gruppe der Makrolid-Antibiotika und Hormone aus der Antibabypille abzubauen. Außerdem bindet das Moos das Insektizid DDT. Diese Stoffgruppen können in herkömmlichen Kläranlagen nur unzureichend abgebaut werden.

Sicheres Moos durch genetischen Schalter

„Das Moos Physcomitrella patens ist auch in der Natur ein wichtiger Wasserfilter – und damit der ideale Organismus für unser Projekt“, sagt Fischer. Obwohl die Studenten in ihrem Projekt lediglich zeigen wollen, dass ein Moosfilter funktionieren kann, haben sie den möglichen Einsatz in der Praxis im Blick.

Damit das modifizierte Moos keinesfalls unkontrolliert ins Freiland gelangt, haben die Studierenden eine ebenso simple wie effektive Lösung gefunden: Sie verwenden Moos, das aufgrund einer Mutation keine reifen Sporen bilden kann und bauen zusätzlich einen Selbstzerstörungs-Mechanismus in die Pflanze ein.

„Dieser biologische Schalter reagiert sensibel auf Licht im roten Wellenlängenbereich“, erklärt Jeffery Truong, Masterstudent der Molekularen Biotechnologie und Entwickler des Filters.

„Man könnte dann einen Filter für das Sonnenlicht verwenden, der den Rotlichtanteil gezielt entfernt. Wenn die Pflanze versehentlich freigesetzt wird, ist sie dem Sonnenlicht ausgesetzt, das Licht aller Wellenlängen enthält – das heißt, sie kann nicht überleben.“

Außerdem testet das Team, ob sich der „PhyscoFilter“ in der industriellen Abwasseraufbereitung einsetzen lässt. Dafür haben die Studierenden bereits einen Prototyp entwickelt. Und mit einer Machbarkeitsstudie überprüfen sie, wie aus der vielversprechenden Idee eine unternehmerische Anwendung werden kann.

Der Weg ins Finale

Mit ihrem PhyscoFilter hoffen die TUM-Studierenden auf die Teilnahme im Finale, das vom 1. bis 3. November 2013 in Boston ausgetragen wird. Davor müssen sie jedoch noch eine Hürde nehmen – den europäischen Vorentscheid in Lyon vom 11. bis 13. Oktober 2013. Insgesamt nehmen in diesem Jahr 223 Teams aus der ganzen Welt teil.

Das TUM-iGEM-Team 2013 hat elf Mitglieder, die meisten kommen aus den Studiengängen Biochemie und Molekulare Biotechnologie. Verstärkt wird das Team mit Studierenden der Mathematik und Maschinenbauwesen. Die Jungforscherinnen und -forscher rechnen sich gute Chancen aus – ihr Thema ist nicht nur technisch anspruchsvoll, wie Truong klarstellt:

„Wasser ist unsere wichtigste Lebensgrundlage. Doch die zunehmende Verbreitung von Chemikalien bedroht viele Ökosysteme und die Artenvielfalt. Mit unserem Projekt wollen wir einen Beitrag leisten, diese wertvolle Ressource zu schützen.“

Pressemitteilung im Web:
http://www.wzw.tum.de/index.php?id=185&no_cache=1&tx_ttnews[tt_news]=573
Bildmaterial:
http://mediatum.ub.tum.de/node;albpnq-0jyda5-dp8ny1?cfold=1174219&dir=1174219
Webseite des iGEM-Teams:
http://2013.igem.org/Team:TU-Munich
Kontakt:
Prof. Dr. Arne Skerra
Technische Universität München
Lehrstuhl für biologische Chemie
T: +49.8161.71-4351
E: skerra@tum.de
W: http://www.wzw.tum.de/bc
Die Technische Universität München (TUM) ist mit rund 500 Professorinnen und Professoren, 9.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und 32.000 Studierenden eine der führenden technischen Universitäten Europas. Ihre Schwerpunktfelder sind die Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften, Medizin und Wirtschaftswissenschaften. Nach zahlreichen Auszeichnungen wurde sie 2006 und 2012 vom Wissenschaftsrat und der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Exzellenzuniversität gewählt. In nationalen und internationalen Vergleichsstudien rangiert die TUM jeweils unter den besten Universitäten Deutschlands. Die TUM ist dem Leitbild einer forschungsstarken, unternehmerischen Universität verpflichtet. Weltweit ist die TUM mit einem Campus in Singapur sowie Niederlassungen in Peking (China), Brüssel (Belgien), Kairo (Ägypten), Mumbai (Indien) und São Paulo (Brasilien) vertreten.

Media Contact

Prof. Dr. Arne Skerra Technische Universität München

Weitere Informationen:

http://www.tum.de http://igem.org/About

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