Moos-Parfüm lockt Fortpflanzungshelfer

Das Purpurstielige Hornzahnmoos ist weltweit verbreitet und ein gutes Modell für die Forschung (Quelle: © HermannSchachner / wikipedia.de).<br>

Ähnlich wie Blütenpflanzen zur Befruchtung ihrer Blüten Insekten anlocken, scheinen Laubmoose bei der Vermehrung die Hilfe von Kleinstgliederfüßern in Anspruch zu nehmen. Durch diese Helfer können die Moose ihren Fortpflanzungserfolg deutlich verbessern. Dies zeigen Laborversuche mit dem weltweit verbreiteten Purpurstieligen Hornzahnmoos (Ceratodon purpureus) und den Springschwanz-Spezies Folsomia candida und Sinella curviseta. Die Forscher sammelten die Moospflanzen im US-Bundesstaat Oregon und kultivierten sie im Gewächshaus.

Tierische Transportvehikel

Moose bilden in ihren männlichen Geschlechtsorganen begeißelte Zellen, nicht unähnlich menschlichen Spermien. Lange Zeit dachte man, dass diese Schwärmer den Weg zu den weiblichen Geschlechtsorganen in einem Wasserfilm schwimmend bewältigen müssen. Die Moos-Spermien wären so kaum in der Lage, einen Weg länger als 10cm bis zum weiblichen Geschlechtsorgan zurückzulegen. Dann wurde beobachtet, dass kleine Gliederfüßer wie Springschwänze und Hornmilben als Vehikel für die Geschlechtszellen dienen könnten. Studien zeigten, dass die Spermien deutlich langlebiger und stresstoleranter sind als gedacht und damit eine Verbreitung durch Gliederfüßer selbst über längere Distanzen überleben würden. Doch wie lockt das Moos die potenziellen Fortpflanzungshelfer an?

Das Parfüm der Moose

Moose und Gliederfüßer verbindet eine duftbasierte Beziehung. Um die Helfer anzulocken, produzieren die Moose eine Vielzahl flüchtiger Duftstoffe, die neben einfachen Alkoholen, Aldehyden und Säuren auch komplexe Kohlenwasserstoffe enthalten. Die Duftcocktails der männlichen und weiblichen Moospflanzen unterscheiden sich dabei deutlich in ihrer Zusammensetzung. Während die Duftnote weiblicher Moose aus mehr als 100 verschiedenen Substanzen besteht, sind es bei männlichen Pflanzen nur etwa 30 Stoffe. Dies zeigen Dampfraumanalysen mittels Gas-Chromatographie und Massenspektrometrie (Head Space volatile organic compounds Analyse).

Weiblicher Duft ist besonders anziehend

Auch die Lockwirkung der Pflanzen unterschied sich stark. In Petrischalen ließen die Forscher Springschwänze wählen, ob sie die weiblichen oder männlichen Moose bevorzugten. Es zeigte sich, dass die weiblichen Moose deutlich anziehender auf die Kleinsttiere wirkten. Ob dies an der geschlechtsspezifischen Duftmarke lag? Diese Frage überprüften die Wissenschaftler, indem sie den Springschwänzen lediglich den Duft der weiblichen und männlichen Moose darboten. Die Tiere konnten die Pflanzen also weder sehen noch berühren. Tatsächlich steuerten die Krabbler wieder gezielt die weiblichen Düfte an.

Gesteigerte Befruchtung durch Gliederfüßer

Eine dritte Versuchserie untersuchte die Bedeutung der Gliederfüßer für den Fortpflanzungserfolg des Hornzahnmooses und des Silbermooses (Bryum argenteum), für das frühere Studien bereits die Spermienverbreitung durch Springschwänze nachwiesen. Hierzu variierten die Forscher die Anzahl der Tiere (biotischer Faktor) und die Feuchtigkeit (abiotischer Faktor) auf den Moospflanzen. Die Anwesenheit der Springschwänze steigerte den Fortpflanzungserfolg der Moose erheblich. Unter lediglich feuchten Bedingungen kam es in etwa 5 Prozent der Kulturschalen zur Befruchtung – erkennbar an der Bildung von Sporenkapseln. In Schalen mit Springschwänzen lag die Quote bei über 30 Prozent. Wurden diese Schalen zusätzlich regelmäßig mit Wasser besprüht, stieg der Wert auf rund 50 Prozent.

Ein Vorteil der Evolution

Moose und Gliederfüßer zählen zu den ältesten Landorganismen der Welt. Die Experimente deuten darauf hin, dass die Evolution der Moose sehr viel stärker durch Gliederfüßer geprägt worden sein könnte als bislang vermutet. Denn die Kleinsttiere verbessern die Befruchtungsquote der Moose erheblich und ermöglichen zudem eine größere räumliche Verbreitung der Moos-Spermien.

Wie funktioniert die Duft-Kommunikation?

Es ist noch wenig bekannt über die chemische Kommunikation zwischen Moosen und Gliederfüßern. Die Beziehung zwischen Blütenpflanzen und Insekten lässt aber Vermutungen zu: So könnte die höhere Anziehungskraft der weiblichen Moose daher rühren, dass diese für die Befruchtung ihrer Geschlechtszellen auf männliche Spermien angewiesen sind und deshalb stärkere Reize an die „Transporthelfer“ aussenden als männliche Moose, die ihre Spermien ohne Hilfe von außen produzieren. Die Gliederfüßer könnten die Moos-Spermien als Nahrung (ähnlich wie bei Pollen) oder auch zufällig aus dem Wasserfilm aufnehmen und diese dann, angezogen vom Duft, zu den weiblichen Moosen transportieren.

Als nächstes wollen die Forscher nun untersuchen, auf welche Moos-Duftstoffe die Tiere besonders stark ansprechen und welche Belohnung ihnen die Pflänzchen bieten. Vielleicht ist die weibliche Duftnote ja so anziehend, weil die weiblichen Pflanzen als Belohnung große Mengen an Saccharose und Fettsäuren produzieren?

Quelle:

Rosenstiel, T.N. et al. (2012): Sex-specific volatile compounds influence microarthropod-mediated fertilization of moss. Nature (18. Juli 2012), doi:10.1038/nature11330.

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Rosenstiel, T.N. et al. Pflanzenforschung.de

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