Molekulare „Anstandsdame“ für Membranproteine

Für die Photosynthese verfügen alle grünen Pflanzen in ihren Chloroplasten über biologische Sonnenkollektoren, die sogenannten Lichtsammlerproteine: Da diese Proteine in der Pflanzenzelle nicht dort hergestellt werden, wo sie auch zum Einsatz kommen, müssen sie zunächst an ihren Bestimmungsort gebracht werden.

Eine spezifische molekulare „Anstandsdame“, ein Chaperon, sorgt dabei für eine sichere Begleitung. Biochemiker der Universität Heidelberg haben nun elementare Erkenntnisse über den Aufbau und die Funktion dieses Chaperon gewonnen. Zum Einsatz kamen dabei unterschiedliche strukturbiologische Untersuchungsmethoden.

Durch den Prozess der Photosynthese wird die Energie des Sonnenlichts in chemische Energie umgewandelt, wobei Sauerstoff gebildet wird. Dazu besitzen alle grünen Pflanzen in ihren Chloroplasten biologische Sonnenkollektoren. Diese Lichtsammlerproteine sind die am häufigsten vorkommenden Membranproteine auf der Erde und für eine effiziente Photosynthese unverzichtbar. Wie alle Membranproteine beinhalten auch die Lichtsammlerproteine charakteristische hydrophobe – das heißt wassermeidende – Bereiche, mit denen sie in ihre Zielmembran eingebettet sind. Bis sie allerdings die Zielmembran, in diesem Fall Membransysteme in den Chloroplasten, erreichen, müssen diese hydrophoben Bereiche durch eine „Anstandsdame“ abgeschirmt und dadurch vor „schädlichen“ Interaktionen bewahrt werden.

Als Chaperon für die Lichtsammlerproteine fungieren die Chloroplasten-Proteine mit der Bezeichnung cpSRP43 und cpSRP54. „Die Entschlüsselung der dreidimensionalen Struktur des Kern-Komplexes dieser beiden Proteine erlaubt nun grundlegende Rückschlüsse auf die Funktionsweise der ,Anstandsdame‘“, erläutert Prof. Dr. Irmgard Sinning vom Biochemie-Zentrum der Universität Heidelberg (BZH). Die Wissenschaftler um Prof. Sinning fanden heraus, dass an der Interaktion zwischen cpSRP43 und cpSRP54 zwei Proteinmotive beteiligt sind, die in ähnlicher Form auch beim Zugang zur Erbsubstanz im Zellkern eine zentrale Rolle spielen. Während der sogenannte „Histon-Code“, der bei den Prozessen im Zellkern zum Zuge kommt, bereits seit einigen Jahren bekannt ist, stellt sich jetzt die Frage nach der Bedeutung des neu entdeckten „Arginin-Codes“ in den Chloroplasten.

Die Heidelberger Wissenschaftler haben die Forschungen in enger Zusammenarbeit mit Fachkollegen der Technischen Universität München und der Europäischen Synchrotronstrahlungsquelle ESRF in Grenoble (Frankreich) durchgeführt. Für ihre Untersuchungen kombinierten die Wissenschaftler unterschiedliche strukturbiologische Methoden: Röntgenstrukturanalyse, Kernresonanzspektroskopie (NMR) und Röntgenkleinwinkelstreuung waren von zentraler Bedeutung für die Aufklärung der Architektur und Dynamik des Kern-Komplexes von cpSRP43 und cpSRP54. Zum Einsatz kam dabei auch die Proteinkristallisationsplattform am BZH, die durch das Exzellenzcluster CellNetworks der Universität Heidelberg unterstützt wird. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Structural & Molecular Biology“ veröffentlicht.

Originalveröffentlichung:
I. Holdermann, N.H. Meyer, A. Round, K. Wild, M. Sattler, I. Sinning: Chromodomains read the arginine code of post-translational targeting. Nat Struct Mol Biol. 2012 Jan 8. doi: 10.1038/nsmb.2196

Kontakt:
Prof. Dr. Irmgard Sinning
Biochemie-Zentrum
Telefon (06221) 54-4781
irmi.sinning@bzh.uni-heidelberg.de

Kommunikation und Marketing
Pressestelle, Telefon (06221) 54-2311
presse@rektorat.uni-heidelberg.de

Media Contact

Marietta Fuhrmann-Koch idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-heidelberg.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Ideen für die Zukunft

TU Berlin präsentiert sich vom 22. bis 26. April 2024 mit neun Projekten auf der Hannover Messe 2024. Die HANNOVER MESSE gilt als die Weltleitmesse der Industrie. Ihr diesjähriger Schwerpunkt…

Peptide auf interstellarem Eis

Dass einfache Peptide auf kosmischen Staubkörnern entstehen können, wurde vom Forschungsteam um Dr. Serge Krasnokutski vom Astrophysikalischen Labor des Max-Planck-Instituts für Astronomie an der Universität Jena bereits gezeigt. Bisher ging…

Wasserstoff-Produktion in der heimischen Garage

Forschungsteam der Frankfurt UAS entwickelt Prototyp für Privathaushalte: Förderzusage vom Land Hessen für 2. Projektphase. Wasserstoff als Energieträger der Zukunft ist nicht frei verfügbar, sondern muss aufwendig hergestellt werden. Das…

Partner & Förderer