Mit dem Lego-Prinzip gegen das Virus

Bispezifische Antikörper können eine Verbindung zwischen Tumor- (rot) und Immunzellen (blau) herstellen. Dieser Ansatz könnte sich auch auf die Erkennung und Zerstörung von Corona-Viren übertragen lassen. Foto: HZDR / Sahneweiß / Kjpargeter, Freepik

Um die Corona-Pandemie zu bewältigen, stattet der Freistaat Sachsen ein Forschungsteam um Prof. Michael Bachmann vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) mit zwei Millionen Euro aus.

Die Wissenschaftler*innen vom HZDR-Institut für Radiopharmazeutische Krebsforschung wollen einen bestehenden Ansatz, mit dem sich Tumorzellen aufspüren und bekämpfen lassen, auf die Bildgebung und Therapie von Virusinfektionen, wie dem neuen Corona-Virus, übertragen.

Darauf aufbauend wollen sie außerdem universelle Nanosensoren entwickeln, die eine schnelle digitale Diagnose ermöglichen könnten.

Eigentlich sind Michael Bachmann und die Forscher*innen in seinem Team schon zu alt, um noch mit Legosteinen zu spielen. Bildlich gesprochen, beschäftigen sie sich damit jedoch fast täglich.

„In den letzten drei Jahrzehnten haben wir modulare, rekombinante Antikörperderivate entwickelt, die ähnlich wie ein Legostein funktionieren“, erzählt der Rossendorfer Institutsdirektor.

„Das eine Ende unserer Antikörper passt perfekt an ein Oberflächenmolekül bestimmter Zellen – in unserem Fall normalerweise von Krebszellen – und das andere an Strukturen in der Membran von Immunzellen.“ Bisher gilt das Verfahren als aussichtsreich, um Tumorerkrankungen direkt im Körper der Patient*innen zu bekämpfen.

Michael Bachmann kann sich jedoch vorstellen, dass es auch bei einer Infektion mit dem neuen Corona-Virus funktionieren könnte: „Prinzipiell lassen sich unsere Module für alle Erkrankungen einsetzen, bei denen es darum geht, gefährlich veränderte Zellen zu erkennen und zu eliminieren. Das konnten wir zum Beispiel schon bei der Infektionskrankheit Hepatitis C zeigen.“

Deshalb will der Pharmazeut und Immunologe mit seinem Team die Antikörperbausteine so umbauen, dass sie auch für die Erkennung und Zerstörung von Corona-Viren einsetzbar sind. Die grundsätzliche Idee basiert wiederum auf der „lego-artigen“ spezifischen Bindung des Virus oder der infizierten Zelle an die Antikörper.

Abhängig von ihrem Aufbau sollten sie dann in der Lage sein, das Virus entweder direkt zu neutralisieren oder durch Aktivierung entsprechender Immunzellen die virus-infizierte Zelle zu zerstören.

Förderung baut auf jahrelange Vorarbeiten auf

Dieser Ansatz hat auch den Freistaat Sachsen überzeugt, wie Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow betont: „Mit den Mitteln des Freistaats wird hier ein Projekt gefördert, von dem wir uns gleich mehrere positive Effekte versprechen und dessen Erkenntnisse eine Anwendung über Sachsen und Deutschland hinaus finden können.

Neben den Bezug zur aktuellen Corona- Pandemie können die Ergebnisse wesentlich dazu beitragen, künftige Pandemien zu bewältigen. Möglich ist zudem, dass wirtschaftliche Ausfälle, wie wir sie als Folge der Corona-Krise erfahren, allein dadurch verringert werden, dass schneller entschieden werden kann, ob Patienten in Quarantäne geschickt werden müssen.“

Denn um sowohl akute Krankheitsverläufe, als auch langfristige Folgen einer Corona-Erkrankung genauer zu verstehen, will das Team um Bachmann die Antikörpermodule auch zur Bildgebung nutzbar machen. Darüber hinaus sollen sie auch zur Entwicklung von Nanosensoren eingesetzt werden, um damit schneller und einfacher als bisher eine Infektion festzustellen.

„Da es sich um eine digitale Methode handelt, würde das auch das Ansteckungsrisiko für das medizinische Personal verringern, da die Ärzte beim Abstrich im Rachenbereich nicht dem Hustenreflex und somit der möglichen Tröpfcheninfektion ausgesetzt wären“, schätzt Michael Bachmann ein, der allerdings gleichzeitig unterstreicht, dass „wir erst am Anfang dieser Forschungsarbeiten stehen.

Die Förderung des Freistaats zusammen mit den exzellenten Forschungsvoraussetzungen am HZDR geben uns eine optimale Ausgangsposition, um unsere Vision in die Realität umzusetzen.“

Weitere Informationen:
Prof. Michael Bachmann
Institut für Radiopharmazeutische Krebsforschung am HZDR
Tel.: +49 351 260 3170 | E-Mail: m.bachmann@hzdr.de

Medienkontakt:
Simon Schmitt | Wissenschaftsredakteur
Tel.: +49 351 260-3400 | Mobil: +49 175 874 2865 | E-Mail: s.schmitt@hzdr.de
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR)
Bautzner Landstr. 400, 01328 Dresden | www.hzdr.de

Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
• Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
• Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
• Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
Das HZDR entwickelt und betreibt große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat sechs Standorte (Dresden, Freiberg, Görlitz, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt knapp 1.200 Mitarbeiter – davon etwa 500 Wissenschaftler inklusive 170 Doktoranden.

Prof. Michael Bachmann
Institut für Radiopharmazeutische Krebsforschung am HZDR
Tel.: +49 351 260 3170 | E-Mail: m.bachmann@hzdr.de

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Dr. Christine Bohnet Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

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