MHH-Forscher klären die Fahrt von Viren auf intrazellulären Autobahnen

Per Anhalter reisen Viren durch Zellen: Sie bewegen sich innerhalb der Wirtszellen entlang zellulärer Autobahnen, den Mikrotubuli.

Denn der Weg ist lang von der äußeren Zellhülle zum Zellkern, in dem viele Viren ihre Erbinformation vermehren. Zellen nutzen diese Autobahnen, um mit speziellen Zugmaschinen, den molekularen Motoren, ihre eigenen Bauteile und Organellen zu transportieren. Doch was veranlasst die molekularen Motoren, die Viren als Passagiere mitzunehmen und somit die Infektion und den Untergang der Zellen zu unterstützen?

Die Arbeitsgruppe Molecular Imaging and Marking des Exzellenzcluster REBIRTH (From Regenerative Biology to Reconstructive Therapy) angesiedelt am Institut für Virologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) konnte nun aufklären, wie Herpes-Simplex-Viren diese Mikrotubuli-Fahrten bewerkstelligen.

Überraschenderweise stellten sie fest, dass Proteine der inneren Virushülle, dem Tegument, gleichzeitig beide Arten von Zugmaschinen binden: Dyneine für die Reise zum Zellkern, aber auch Kinesine für die entgegen gesetzte Richtung. „Molekulare Motoren haben keinen Rückwärtsgang, aber das Zusammenspiel der Dyneine und Kinesine ermöglicht den Viren freie Fahrt in alle Richtungen unter Umgehung von intrazellulären Hindernissen und Staus“, erklärt die Erstautorin der Studie Dr. Kerstin Radtke. Diese Forschungsergebnisse veröffentlichen die Wissenschaftler um Professorin Dr. Beate Sodeik nun im Online-Fachmagazin PLoS Pathogens der Public Library of Science.

Die Forscher entwickelten erstmalig biochemische Methoden, mit denen sie die Bindung von Viruspartikeln an molekularen Motoren und ihren Transport entlang von Mikrotubuli untersuchen können. „Das Verständnis des intrazellulären Transports der Viren ermöglicht uns, neue Angriffsstellen für antivirale Therapien zu finden. Außerdem können anhand dieser Kenntnisse virale Nanopartikel optimiert werden, die therapeutische Gene oder Medikamente in die Zellkerne bringen sollen“, erläutert Professorin Sodeik.

Alle Viren sind auf den Stoffwechsel ihrer Wirtszellen angewiesen. Sie haben ihre eigene Erbinformation, aber für ihre Vermehrung benötigen die Herpesviren den Zellkern. Ohne diese Hilfe können sie ihre Erbinformation nicht ablesen und sich nicht im Wirtsorganismus ausbreiten. Bei den meisten Menschen liegen die Herpes-Simplex-Viren nach einer ersten, meist harmlosen Infektion latent und unbemerkt im peripheren Nervensystem vor. Etwa 85 Prozent aller Erwachsenen tragen die Viren in sich. Bei jeder hundertsten Erstinfektion und auch nach einer Reaktivierung der ruhenden Viren kann es zu vielfältigen Erkrankungen kommen: Am bekanntesten sind die typischen Herpesbläschen um den Mund. In ernsten Verläufen kommt es zur Infektion der Augen, die im schlimmsten Fall mit einer Blindheit endet, oder sogar zu einer lebensbedrohlichen Infektion des Gehirns führt.

Weitere Informationen erhalten Sie bei Dr. Beate Sodeik, Professorin für Zellbiologie viraler Infektionen am MHH-Institut für Virologie, Telefon (0511) 532-2846, sodeik.beate@mh-hannover.de;

Die Originalarbeit finden Sie unter www.plospathogens.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.ppat.1000991

Weiterführende Informationen unter http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16420530.

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Stefan Zorn idw

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