MHH-Forscher identifizieren mögliches Medikament für seltene Erkrankung

Das Bild zeigt eine zerebrale kavernöse Fehlbildung (Beere) inmitten von Heilpflanzen und Zebrafischen. Aus den Heilpflanzen werden einige der identifizierten Wirkstoffe gewonnen. Grafikdesignerin Kat Menschik

Ein Konsortium unter der Leitung eines Forschers der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und der Universität Potsdam (UP) hat in einer umfangreichen Analyse im Mausmodell eine Substanz identifiziert, die Symptome der seltenen Blutgefäßerkrankung zerebrale kavernöse Fehlbildungen (cerebral cavernous malformations – kurc CCM) lindert.

Bei Patienten, die an der Erkrankung leiden, kommt es zu Verwachsungen der Blutgefäße im Gehirn, die zu Hirnblutungen und Schlaganfällen führen können. Die Forscher untersuchten bereits für den Menschen zugelassene Wirkstoffe. Zu dem Konsortium gehören neben der MHH und der UP, das Hospital for Sick Children (SickKids) im kanadischen Toronto, die Université Paris Diderot und das INSERM Grenoble in Frankreich sowie das Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie in Berlin.

„Aktuell kann die Erkrankung nur durch einen neurochirurgischen Eingriff behandelt werden – jedoch nur, wenn die Verwachsungen nicht zu tief im Inneren oder in überlebenswichtigen Regionen des Gehirns liegen“, erklärt Professor Dr. Salim Seyfried, gemeinsam berufener Professor der UP und der MHH. Er koordiniert die von dem transnationalen E-RARE-Net CCMCURE-Konsortium durchgeführte Studie.

„Ein Medikament zur Behandlung der Erkrankung wäre dringend wünschenswert. Solche Untersuchungen von bereits existierenden Medikamenten für mögliche neue Einsatzgebiete sind der schnellste Weg, um Medikamente zu finden.“ Ihre Ergebnisse veröffentlichte das internationale Team in dem Fachmagazin „EMBO Molecular Medicine“.

Das von der Europäischen Union geförderte Konsortium testete mehr als 5.000 von der amerikanischen Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde (Federal Food and Drug Administration – kurz FDA) zugelassene Verbindungen an etablierten Modellsystemen für die Erkrankung zerebrale kavernösen Fehlbildungen, darunter Fadenwürmer, Zebrafischeier und menschliche Zellen der Blutgefäßwand.

„Die identifizierten Wirkstoffe haben es uns erlaubt, die relevanten molekularen Signalwege und Netzwerke aufzuklären, die eine Rolle in der Erkrankung spielen könnten. Die Analyse der für die zerebralen kavernösen Fehlbildungen relevanten molekularen Netzwerke wird auch dazu beitragen, kombinatorische Ansätze zur Bekämpfung dieser Krankheit zu entwickeln“, sagt Professor Seyfried, der eine Arbeitsgruppe am MHH-Institut für Molekularbiologie leitet. Auch seien einige der in der Analyse identifizierten Verbindungen Kandidaten zur Behandlung anderer molekular bedingter Blutgefäßerkrankungen.

Indirubin-3-Monoxime als mögliches Medikament identifiziert

Aufgrund der Ergebnisse der Analysen in den Tiermodellen und menschlichen Zellen untersuchten die Wissenschaftler zuerst die Wirkung von Indirubin-3-Monoxime im Mausmodell. Indirubin-3-Monoxime ist ein Medikament, das nur geringe Nebenwirkungen verursacht, aus der traditionellen chinesischen Medizin stammt und dort häufig zur Behandlung von Leukämien und anderen chronischen Krankheiten eingesetzt wird.

In molekularen und funktionellen Studien hatten die Forscher bereits herausgefunden, dass Indirubin-3-Monoxime die Verwachsungen in menschlichen Blutgefäßzellen und Zebrafischeiern verhindert. Bei der Untersuchung in Mausmodellen, die schlaganfallähnliche Blutungen im Gehirn aufwiesen, entdeckten sie, dass die Fütterung von Jungtieren mit Indirubin-3-Monoxime die Belastung durch die Verwachsungen linderte.

Zerebrale kavernöse Fehlbildungen (cerebral cavernous malfunction – kurc CCM)

Zerebrale kavernöse Fehlbildungen sind verhältnismäßig häufige Erkrankungen, die bei 0,5 Prozent der Bevölkerung auftreten können. Die Krankheit ist in der Regel nicht erblich. Die Fehlbildungen im Gehirn können aber auch durch familiär-vererbte Mutationen in drei Genen CCM1, CCM2 oder CCM3 auftreten. Diese familiäre Form der Erkrankung ist sehr selten; nur eine von 3.000 Personen ist betroffen. Die Wissenschaftler bringen insbesondere die Mutation in dem Gen CCM3 mit einem frühen Einsetzen und schweren Verlauf der Erkrankung in Verbindung.

Neben dem Hauptförderer der Studie, der Europäischen Union, hat auch der Exzellenzcluster REBIRTH das Projekt finanziell unterstützt.

Professor Salim Seyfried, MHH-Institut für Molekularbiologie, Telefon (0511) 532 5933 oder (0331) 977 5540, Salim.Seyfried@uni-potsdam.de.

http://embomolmed.embopress.org/cgi/pmidlookup?view=long&pmid=30181117

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Stefan Zorn idw - Informationsdienst Wissenschaft

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