MDC- und FMP-Forscher entdecken Hemmstoff für Ödeme

Graphik einer Nierenzelle mit Wasserkanälen (Aquaporin-2, AQP2) in der Zelle (linke Abbildung) und mit Aquaporin-2 in der Plasmamembran (rechte Abbildung, oben). Die Wasserkanäle werden zum Beispiel bei Durst durch das Hormon AVP über eine Signalkaskade aus dem Zellinneren in die Plasmamembran verlagert. Überschüssiges Wasser leitet die Zelle über andere Wasserkanäle (AQP3 und 4, Abbildung rechts, rechte Seite der Zelle) in den Blutkreislauf und das Gewebe ab.<br>(Graphik: Enno Klußmann/ Copyright: MDC)<br>

Die Ergebnisse von Dr. Jana Bogum (MDC/FMP) aus der MDC-Forschungsgruppe von Prof. Walter Rosenthal und PD Dr. Enno Klußmann könnten künftig für die Behandlung exzessiver Wassereinlagerungen bei Patienten mit Herzschwäche (Herzinsuffizienz) von Bedeutung sein. Zugleich haben die Forscher einen neuen molekularen Regulierungsmechanismus des Wasserhaushalts in der Niere entdeckt (Journal of the American Society of Nephrology, doi:10.1681/ASN.2012030295)*.

Täglich fließen durch die Nieren rund 1 500 Liter Blut. Daraus filtern die Nieren zunächst 180 Liter Primärharn, den sie auf zwei Liter konzentrieren und dann ausscheiden. Das geschieht wesentlich dadurch, dass das Gehirn das Hormon AVP (Arginin-Vasopressin) ausschüttet. Dieses Hormon gibt den Startschuss für eine mehrere Schritte umfassende Signalkaskade in der Niere, die auf Wasserkanäle (Aquaporine) und vor allem auf das Aquaporin-2 einwirkt. „Die Wasserkanäle, insbesondere Aquaporin-2, und ihre Verlagerung, spielen eine Schlüsselrolle bei der Regulierung des Wasserhaushalts“, erklärt Dr. Klußmann.

AVP, das zum Beispiel bei Durst im Gehirn aktiviert wird, veranlasst, dass Aquaporin-2 in den Hauptzellen der Sammelrohre der Niere aus dem Zellinneren in die Plasmamembran wandert. Das an der Membran vorbeifließende Wasser aus dem Primärharn können die Nierenzellen über Aquaporin-2 dann herausfiltern, so Dr. Klußmann weiter: „Damit die Nierenzelle nicht platzt und der Körper nicht austrocknet, wird das Wasser über eine andere Gruppe von Wasserkanälen, die Aquaporine 3 und 4, in das Blut und das Körpergewebe zurück geleitet. Diese Wasserkanäle sitzen im Gegensatz zu Aquaporin-2 ständig in der Plasmamembran der Nierenhauptzellen, und dort auch an einer anderen Stelle“. Ist der Durst gelöscht, vermindert sich das Hormon AVP und Aquaporin-2 geht zurück in das Innere der Nierenzelle, solange, bis es wieder benötigt wird.

Ist der AVP-Spiegel jedoch zu hoch, wie das zum Beispiel bei Patienten mit Herzinsuffizienz der Fall ist, befindet sich Aquaporin-2 dauerhaft in der Plasmamembran der Nierenhauptzelle und leitet das Wasser ohne Unterlass aus dem Primärharn in die Nierenhauptzellen des Sammelrohrs. Diese Zellen führen das überschüssige Wasser in das Körpergewebe ab. „Dieser Prozess trägt zur Bildung von Ödemen bei“, erläutert Dr. Klußmann.

Entdeckt, wie Wanderung der Wasserkanäle gehemmt werden kann
Wie lässt sich verhindern, dass sich Aquaporin-2 dauerhaft in der Plasmamembran ansiedelt und damit Krankheiten auslöst bzw. verstärkt? Den Forschern gelang es, mit einem neuen Forschungsansatz einen Hemmstoff zu finden, der die Verlagerung des Wasserkanals Aquaporin-2 in die Zellmembran verhindert. Zugleich entdeckten sie einen neuen Regulierungsmechanismus des Wasserhaushalts auf molekularer Ebene.

Die Forscher hatten „small molecules“ eingesetzt, niedermolekulare Wirkstoffe, die auf Grund dessen, dass sie sehr klein sind, gut in Zellen eindringen. Auf Nierenzellen testeten sie 17 700 solcher Substanzen und filterten dabei letztlich eine Substanz heraus, die die Wanderung von Aquaporin-2 in die Plasmamembran der Nierenzellen blockiert. Die Substanz (4-Acetyldiphyllin) unterbindet einen wichtigen biologischen Regulierungs- und Aktivierungsschritt, die Phosphorylierung. Das heißt, ein von einem Signalmolekül (cAMP) in der Signalkette aktiviertes Protein (Proteinkinase A) kann an das Aquaporin-2 keine Phosphatgruppe mehr anhängen, mit dem Resultat, dass die Wasserkanäle nicht mehr in die Plasmamembran wandern können.

Die neuen Forschungsergebnisse könnten nicht nur für die Behandlung von Ödemen interessant sein, sondern auch für die Therapie von Depressionen. Hier ist der Medizin aber daran gelegen, das Aquaporin-2 in die Plasmamembran der Nierenhauptzelle zu bekommen, denn das in der Therapie häufig verwendete Lithium verhindert, dass Aquaporin-2 in die Plasmamembran gelangt und verursacht dadurch Diabetes insipidus (Wasserruhr). Wird AVP im Gehirn nicht freigesetzt, oder ist der Rezeptor für AVP in der Nierenzelle defekt, entsteht, wie Prof. Rosenthal vor einigen Jahren entdeckte, ebenfalls Diabetes insipidus. Die Betroffenen scheiden bis zu 20 Liter Harn jeden Tag aus. Einen ähnlichen, aber nicht ganz so drastischen Effekt verursacht Alkohol. Wer viel Bier trinkt, muss ständig auf die Toilette. Der Grund – Alkohol verhindert, dass das Gehirn das Hormon AVP ausschüttet und Aquaporin-2 in die Plasmamembran wandert.

*Small molecule screening to reveal mechanisms underlying aquaporin-2 trafficking

Jana Bogum1,2,3, Dorte Faust1, Kerstin Zuhlke1,2, Jenny Eichhorst2, Marie C. Moutty1,2, Jens Furkert2, Adeeb Eldahshan1, Martin Neuenschwander2, Jens Peter von Kries2, Burkhard Wiesner2, Christiane Trimpert4, Peter M.T. Deen4, Giovanna Valenti5, Walter Rosenthal1,6 and Enno Klussmann1

1Max Delbrück Center for Molecular Medicine (MDC), Berlin, Germany
2Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP), Berlin, Germany
3Department of Biology, Chemistry and Pharmacy, Freie Universität Berlin, Germany
4Department of Physiology, RUNMC Nijmegen, Radboud University Nijmegen Medical Centre, Nijmegen, The Netherlands
5Department of General and Environmental Physiology, University of Bari, Italy
6Charité University Medicine Berlin, Germany

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