Max F. Perutz Laboratories-Erfolg: Neue Analysemethode für Platynereis als Genetics-Highlight

Coverbild der Genetics Mai-Ausgabe. (Copyright: Genetics)

Auf molekularer Ebene wissen wir von vielen faszinierenden biologischen Phänomenen noch viel zu wenig. Der unscheinbare marine Borstenwurm Platynereis dumerilii stellt für die Erforschung dieser Phänomene einen interessanten Modellorganismus dar:

Evolutionär gesehen entwickelte er sich sehr langsam und ist so bestens geeignet, um Vorläufergene und Zelltypen zu analysieren. Er besitzt ein Hormonsystem, das mit jenem der Wirbeltiere vergleichbar ist und er kann große Teile seines Körpers regenerieren. Zudem wird seine Fortpflanzungszeit durch mehrere Uhren gesteuert, ein Merkmal, das wahrscheinlich auch viele andere Organismen aufweisen.

Diese Charakteristika machen den Borstenwurm ideal für die Evolutionsforschung, die Chronobiologie und für viele weitere Forschungsgebiete. Da es jedoch bislang keine geeigneten molekularbiologischen Werkzeuge gab, war es sehr schwierig, die Funktionen der Platynereis-Gene in vivo zu analysieren.

TALENs als neues Werkzeug zur gezielten Modifikation von Platynereis-Genen

Um dieser Notwendigkeit Rechnung zu tragen, haben ForscherInnen an den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) und der Forschungsplattform „Marine Rhythms of Life“ der Universität Wien mit Unterstützung des VIPS (Vienna International Postdoctoral Program) nun eine Proteinklasse, die „Transcriptional Activator-like Effector Nucleases“ (TALENs) als Werkzeug etabliert, um Platynereis-Gene gezielt zu verändern. Diese maßgeschneiderten Enzyme binden an spezifische DNA-Sequenzen und „zerschneiden“ das Genom an diesen Stellen. Die Reparaturmechanismen der Zelle reagieren sofort und beheben den Schaden. Allerdings können kleine Fehler in Form von DNA-Sequenzen, die zusätzlich eingebaut oder gelöscht werden, von den Reparaturmechanismen übersehen werden. Das Ergebnis sind kleine Mutationen, die das Protein, für das das Gen kodiert, funktionsunfähig machen. Mit dieser Methode konnten die ForscherInnen nun die allerersten Platynereis-Mutanten erzeugen.

Perspektiven für die Zukunft

Die WissenschafterInnen fanden heraus, dass diese herbeigeführten Mutationen vererblich sind. Somit können die TALENs dazu verwendet werden, mutierte Platynereis-Linien zu erzeugen. „Damit können wir nun detaillierte in vivo Funktionsanalysen bei Platynereis durchführen. Zudem erleichtert diese Methode weitere technische Entwicklungen. Zum Beispiel hoffen wir, dass wir die TALENs nutzen können, um fluoreszierende Reportergene in das Genom einzubauen. Auf diese Weise können wir erforschen, wie die Genexpression über den gesamten Lebenszyklus reguliert wird“, erklärt Stephanie Bannister, Erstautorin und VIPS Postdoc in der Gruppe von Florian Raible am Department für Mikrobiologie, Immunbiologie und Genetik der Universität Wien. Sie ist für die erfolgreiche Etablierung der Methode verantwortlich. „Außerdem zeigen wir, wie die Arbeitsabläufe optimal organisiert und gestrafft werden, um die Etablierung der TALEN-Technologie für andere unkonventionelle oder neuentdeckte Modellorganismen zu erleichtern“, fügt Stephanie Bannister hinzu.

Publikationen in Genetics (http://www.genetics.org/content/current):
Stephanie Bannister, Olga Antonova, Alessandra Polo, Claudia Lohs, Natalia Hallay, Agne Valinciute, Florian Raible, Kristin Tessmar-Raible: TALENs mediate efficient and heritable mutation of endogenous genes in the marine annelid Platynereis dumerilii. In: Genetics (März 2014). DOI: http://dx.doi.org/10.1534/genetics.113.161091

Juliane Zantke, Stephanie Bannister, Vinoth Babu Veedin Rajan, Florian Raible, Kristin Tessmar-Raible: Genetic and genomic tools for the marine annelid Platynereis dumerilii. In: Genetics (Mai 2014). DOI: http://dx.doi.org/10.1534/genetics.112.148254

Rückfragehinweis
Dr. Lilly Sommer
Communications
Max F. Perutz Laboratories
T +43-1-4277-240 14
lilly.sommer@mfpl.ac.at

Die Max F. Perutz Laboratories (MFPL) sind ein gemeinsames Forschungs- und Ausbildungszentrum der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien am Campus Vienna Biocenter. An den MFPL sind rund 500 WissenschaftlerInnen in über 60 Forschungsgruppen mit Grundlagenforschung im Bereich der Molekularbiologie beschäftigt.

Die Universität Wien ist eine der ältesten und größten Universitäten Europas: An 15 Fakultäten und vier Zentren arbeiten rund 9.700 MitarbeiterInnen, davon 6.900 WissenschafterInnen. Die Universität Wien ist damit auch die größte Forschungsinstitution Österreichs sowie die größte Bildungsstätte: An der Universität Wien sind derzeit rund 92.000 nationale und internationale Studierende inskribiert. Mit über 180 Studien verfügt sie über das vielfältigste Studienangebot des Landes. Die Universität Wien ist auch eine bedeutende Einrichtung für Weiterbildung in Österreich. 1365 gegründet, feiert die Alma Mater Rudolphina Vindobonensis im Jahr 2015 ihr 650-jähriges Gründungsjubiläum. www.univie.ac.at

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Veronika Schallhart Universität Wien

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