Lungenkrebs: Molekulare Schere entscheidet über Therapieerfolg

Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Universitätsmedizin Mannheim zeigten nun, dass diese u-PAR genannte Schere ein Indikator für den Therapieerfolg beim nicht-kleinzelligen Lungenkrebs sein könnte: Je mehr u-PAR die Tumorzellen bilden, desto schlechter wirkt das Krebsmedikament Cetuximab.

In den letzten Jahren wurde eine Reihe von Krebsmedikamenten entwickelt, die sich gezielt gegen bestimmte Schlüsselmoleküle der Tumorzellen richten. Dazu zählt auch der Antikörper Cetuximab, der an ein Eiweißmolekül andockt, das viele Krebsarten im Übermaß auf ihrer Zelloberfläche tragen. Wird dieses Oberflächenmolekül, der so genannte Wachstumsfaktor-Rezeptor EGF-R, durch Cetuximab blockiert, so empfängt die Krebszelle weniger Signale, die sie zur Zellteilung anregen.

Beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom, dem häufigsten Lungenkrebs, deuten bisherige klinische Studien darauf hin, dass nur ein Teil der Patienten von einer Behandlung mit Cetuximab profitiert. Ärzte suchen daher dringend nach Biomarkern, die ein Ansprechen auf die Antikörpertherapie zuverlässig vorhersagen.

Professor Heike Allgayer leitet die Abteilung Experimentelle Chirurgie der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg sowie im Deutschen Krebsforschungszentrum die Klinische Kooperationseinheit Molekulare Onkologie solider Tumoren. Die Wissenschaftlerin vermutet, dass der therapeutische Antikörper vor allem einzelne Krebszellen unschädlich machen kann, die sich vom Primärtumor abgelöst haben, in andere Gewebe einwandern und dort zur Tochtergeschwulst auswachsen. Daher konzentrierte sich Allgayer mit ihrem Team auf die Metastasierungsfähigkeit der Lungenkrebszellen. Tatsächlich konnten die Forscher mit Zelllinien des Bronchialkarzinoms erstmals zeigen, dass Cetuximab Wachstum und Einwandern der Krebszellen hemmt sowie die Häufigkeit von Metastasen verringert.

Für ihre Invasion in umgebendes, gesundes Gewebe benötigen Krebszellen bestimmte Proteine, die wie molekulare Scheren wirken und ihnen den Weg frei schneiden. Eine dieser Scheren ist das Protein u-PAR, das als Markermolekül für die Invasionsfähigkeit von Krebszellen gilt. Heike Allgayers Team fand heraus, das die Krebszellen nach Behandlung mit Cetuximab weniger u-PAR ausbilden: Der Antikörper blockiert offenbar die uPAR-Produktion der Zelle.

Allgayers Team zeigte weiterhin, dass nicht-kleinzelliger Lungenkrebs vor allem dann gegen Cetuximab-Behandlung resistent ist, wenn die Krebszellen große Mengen an u-PAR ausbilden. Schalteten die Wissenschaftler mit einem genetischen Trick die u-PAR-Produktion aus, so schlug die Cetuximab-Behandlung wieder an.

„Unsere Ergebnisse zeigen erstmals, dass u-PAR beim nicht-kleinzelligen Lungenkrebs ein Indikator für den Erfolg einer Cetuximab-Behandlung sein könnte“, sagt Heike Allgayer. „Je mehr u-PAR die Zellen bilden, desto weniger sprechen sie auf das Medikament an“. In Einklang damit stehen erste Beobachtungen an Lungenkrebs-Patienten: Tumorzellen von Personen, die nicht auf Cetuximab ansprachen, produzierten in der Regel größere Mengen der molekularen Schere u-PAR.

Überraschend für die Wissenschaftlerin war, dass EGF-R selbst, das Zielmolekül des Medikaments Cetuximab, nicht mit dem Ansprechen korrelierte. Weitere Untersuchungen müssen diese Resultate noch absichern. „Wir wollen Möglichkeiten finden, das Medikament gezielt nur denjenigen Patienten zu verordnen, die auch davon profitieren können“, sagt die Ärztin und Wissenschaftlerin. „Die Suche nach geeigneten Biomarkern ist eine der dringlichsten Aufgaben bei der Einführung der neuen, zielgerichteten Therapeutika.“

Nikolova DA, Asangani IA, Nelson LD, Hughes DPM, Siwak DR, Mills GB, Harms A, Buchholz E, Pilz LR, Manegold C, Allgayer H: Cetuximab attenuates metastasis and u-PAR expression in non-small cell lung cancer: u-PAR and E-cadherin are novel biomarkers of Cetuximab sensitivity. Cancer Research 2009, DOI: 10.1158/0008-5472.CAN-08-3236

Das Deutsche Krebsforschungszentrum hat die Aufgabe, die Mechanismen der Krebsentstehung systematisch zu untersuchen und Krebsrisikofaktoren zu erfassen. Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung sollen zu neuen Ansätzen in Vorbeugung, Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen führen. Das Zentrum wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V.

Media Contact

Dr. Stefanie Seltmann idw

Weitere Informationen:

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