Leberkrebs: Fettproduktion fördert Tumorbildung

Die Ansammlung von Lipiden (rot) im Lebergewebe fördert die Entstehung des Leberzellkarzinoms (HCC). Universität Basel, Biozentrum

In der Schweiz werden jährlich etwa 650 neue Fälle von Leberkrebs diagnostiziert. Insbesondere in den Industrieländern hat sich das Auftreten des bösartigen und aggressiven Leberzellkarzinoms in den letzten zwanzig Jahren verdoppelt. Einer der möglichen Gründe hierfür sind die Zunahme von Übergewicht und Diabetes.

Wissenschaftler um Prof. Michael N. Hall vom Biozentrum der Universität Basel und Prof. Howard Riezman von der Universität Genf haben nun neue Erkenntnisse über die Entwicklung dieses Tumors gewonnen.

Im Mausmodell und anhand von Patientenproben konnten sie nachweisen, dass der Wachstumsregulator mTOR – mammalian Target of Rapamycin – die Neusynthese von Lipiden ankurbelt, was zu einem Fortschreiten der Erkrankung führt. Die Ansammlung von Fettsäuren und Fetten in der Leber gilt als eine der häufigsten Ursachen für das Leberzellkarzinom.

Die Leber: Entgifter und Energielieferant

«Die Leber ist im Prinzip die Küche unseres Körpers», erklärt Yakir Guri, Mediziner und Erstautor der Studie. «Sie speichert und verwertet Nahrungsbestandteile, produziert Ausgangstoffe für Hormone und sie entgiftet den Körper, indem sie Schadstoffe, Medikamente und Alkohol abbaut.»

Nicht nur übermässiger Alkoholkonsum, sondern auch Übergewicht und Diabetes gekoppelt mit Bewegungsmangel schädigen die Leber. Ein erstes Anzeichen ist die symptomatisch zunächst unauffällige «Fettleber», die zu einer Leberentzündung führen und schliesslich zu einem Leberzellkarzinom (HCC) auswachsen kann. Die aggressiven und unkontrolliert wachsenden Krebszellen zerstören schliesslich das gesunde Lebergewebe, was ein Leberversagen zur Folge hat.

Leberkarzinom: mTOR-Aktivierung fördert Tumorbildung

Den Krankheitsverlauf haben die Forscher zunächst in einem Mausmodell untersucht. Dafür haben sie in den Leberzellen mTOR dauerhaft aktiviert. «Uns war bereits bekannt, dass mTOR als Kontrollinstanz für das Zellwachstum an der Entstehung von Tumoren beteiligt ist. Im Fall des Leberzellkarzinoms wussten wir jedoch nicht, welche zellulären Stoffwechselwege betroffen sind», sagt Guri.

Die Forscher haben nun herausgefunden, dass mTORC2 – mTOR kann in zwei Proteinkomplexen, mTORC1 und mTORC2, vorkommen – die Neusynthese von Fettsäuren und von bestimmten Lipiden in Gang setzt. «Den meisten ist gar nicht bewusst, dass es in unserem Körper mehr Lipide als Gene gibt. Man geht von Tausenden verschiedenen Lipidarten aus», so Guri. «Gemeinsam mit dem Team von Howard Riezman konnten wir ein sehr breites Spektrum an Lipiden analysieren.»

Fette: Krebszellen auf Neusynthese von Lipiden angewiesen

In den Leberzellen stimuliert mTORC2 insbesondere die Bildung zweier für das Zellwachstum wichtiger Lipid-Arten: die Sphingolipide und Cardiolipine. Erstere sind unter anderem wichtige Bestandteile der Zellmembranen, die bei einem unkontrollierten Tumorzellwachstum ständig nachgeliefert werden müssen.

Die Cardiolipine befinden sich in den Kraftwerken der Zelle, den Mitochondrien, und sind an der Energiegewinnung beteiligt. Mit einer gesteigerten Cardiolipin-Produktion stellen die energiefressenden Tumorzellen die Energieversorgung sicher. «Krebszellen sind auf die Neusynthese von Fettsäuren und Lipiden angewiesen, wenn man ihnen den Hahn zudreht, kann man die Entwicklung von Tumoren stoppen.»

Patienten: Analyse von Leberbiopsien bestätigt Zusammenhang

Untersuchungen von Gewebeproben, die Patienten mit Leberzellkarzinom entnommen wurde, bestätigten die im Mausmodell gemachten Beobachtungen. Auch in Gewebeproben aus der menschlichen Leber sind mTORC2 sowie die nachfolgenden Signalwege, die eine Neuproduktion von Fettsäuren und Lipiden forcieren, aktiviert.

Auf diese Weise treibt der Proteinkomplex das Fortschreiten der Erkrankung von der gutartig veränderten «Fettleber» zum aggressiven Leberzelltumor (HCC) immer weiter voran. Die Studie liefert wichtige Erkenntnisse, denn sie zeigt, dass Medikamente, die zielgerichtet in die Bildung von Fetten eingreifen, das Potenzial haben, die Tumorentwicklung zu unterbrechen.

Die Studie wurde vom Europäischen Forschungsrat (ERC), der Krebsforschung Schweiz sowie dem Nationalen Forschungsschwerpunkt «Chemische Biologie» gefördert.

Originalbeitrag

Yakir Guri, Marco Colombi, Eva Dazert, Sravanth K. Hindupur, Jason Roszik, Suzette Moes, Paul Jenoe, Markus H. Heim, Isabelle Riezman, Howard Riezman and Michael N. Hall
mTORC2 promotes tumorigenesis via lipid synthesis
Cancer Cell (2017), doi: 10.1016/j.ccell.2017.11.011

Weitere Auskünfte

Prof. Dr. Michael N. Hall, Universität Basel, Biozentrum, Tel. +41 61 207 21 50, E-Mail: m.hall@unibas.ch
Dr. Katrin Bühler, Universität Basel, Kommunikation Biozentrum, Tel. +41 61 207 09 74, E-Mail: katrin.buehler@unibas.ch

Media Contact

Dr. Katrin Bühler Universität Basel

Weitere Informationen:

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