Lärm gefährdet die Meeresbewohner

Lärm aus Schiffahrt und Ölbohrungen irritiert Fische und Meeressäuger. Er kann Stress und sogar Hörsturz verursachen und der Reproduktion und Wanderung der Tiere schaden.

Das sagt der Meeresforscher Arthur Popper von der University of Maryland in der Fachzeitschrift Integrative Zoology. „Wenn die menschenverursachten Geräusche im Meer bei manchen Tieren auch nur kleine Verhaltensänderungen hervorrufen, bedroht es die Existenz anderer“, so Popper.

Alles, was in der Umgebung die Fähigkeit der Organismen die Geräuscherkennung verändere, könne sich negativ auf das Leben von Tieren verändern. Dabei reagierten die Tiere nicht anders als Menschen und andere Landlebewesen auch, so der Meeresbiologe.

„Laute Geräusche machen es Tieren schwer, andere akustische Informationen wahrzunehmen, die sie zur Orientierung brauchen“, erklärt Guido Dehnhardt vom Institut für Biowissenschaften der Universität Rostock gegenüber pressetext. Meerestiere kommunizieren über Geräusche und holen über die Akustik dreidimensionale Informationen über ihre Umwelt ein. Die Geräuschwahrnehmung unter Wasser erfolgt auf verschiedene Weisen. Fische besitzen Seitenlinien-Organe, die auf Wasserbewegungen ansprechen, was für Orientierung, für Ortung von Beute sowie für das Ausweichen von Räubern wichtig ist. Das Hörsystem von Meeressäugern wie Wale und Robben ist hingegen mit dem menschlichen Gehör vergleichbar, erklärt der Rostocker Spezialist für sensorische und kognitive Ökologie.

Unter Wasser gelten eigene Gesetze für den Schall, wird er doch fünfmal schneller übertragen als in der Luft. „Man vermutet, dass der Schall von Tönen niedriger Frequenzen, wie sie etwa Wale ausstoßen, über tausende Kilometer transportiert werden kann“, so Dehnhardt. In Küstennähe seien die Auswirkungen von Bootsgeräusche allerdings begrenzt. „Die von Wellen verursachten Geräusche sind stärker als Bootsgeräusche und verursachen bei Lebewesen immer wieder Orientierungsprobleme. Diese Störung durch das Wellengeräusch verursacht immer wieder die Strandung von Walen oder die Kollision von Seekühen mit Booten, deren Motorengeräusch sie nicht wahrnahmen.“

Weniger weiß man derzeit über die Auswirkung von Lärm im Hochseebereich. „Echolote zeigen jedoch, dass Fische aufgrund von Schiffsmotor-Geräuschen ausweichen“, sagt Rainer Froese vom Leibnitz-Institut für Meereswissenschaften der Universität Kiel GEOMAR im pressetext-Interview. In modernen Schiffen sei zwar eine geringe Geräuschabgabe bemerkbar, der Grund dafür sei jedoch nicht die höhere Rücksichtnahme auf die Meeresbewohner. „In Passagiersschiffen versucht man, die von den Turbinen verursachten Vibrationen im Schiff gering zu halten, da diese viel Energie verbrauchen.“ Bei Kriegsschiffen sei man hingegen aus taktischen Gründen um die Minimierung des Schalls bemüht.

Besonders zerstörerisch sei der Schall beim Dynamitfischen. Dabei handelt es sich um eine streng verbotene, jedoch in Ostafrika und Südostasien noch weit verbreitete Fischereimethode. „Dabei werden selbstgebaute Ladungen im Wasser zur Explosion gebracht. Die Schallwellen zerstören die Schwimmblase der Fische im Umkreis von bis zu 30 Meter. Die Fischer sammeln schließlich die an die Oberfläche getriebenen toten Fische“, so Froese. Auch das Ökosystem Korallenriff wird dadurch empfindlich geschädigt. Ähnliche Auswirkung im großen Stil hätten Schallkanonen, die in Kriegen zum Aufspüren von U-Booten eingesetzt werden. „Sogar Wale starben an diesen extremen Schallwellen“, so der Meeresforscher.

Ein Faktor, der Schall im Wasser verstärkt, ist die zunehmende Versauerung der Ozeane. „Durch die Änderung der chemischen Zusammensetzung absorbiert das Wasser den Schall weniger und zwar gerade in den Frequenzen, in denen Meereslebewesen hören“, sagt Ulf Riebesell, GEOMAR-Spezialist für Biologische Ozeanographie, gegenüber pressetext. Der dadurch verloren gegangene Geräuschepuffer macht Schall lauter, was die Verständigung unter den Meeresbewohnern über große Distanzen erleichtern kann. „Gleichzeitig wird jedoch auch der Schall, der von Schiffen ausgeht, viel lauter wahrgenommen“, so Riebesell.

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Johannes Pernsteiner pressetext.deutschland

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