Krankheitsforschung nach der Sequenzierung des menschlichen Genoms

Die Identifizierung der Sequenz des menschlichen Genoms machte deutlich, dass lediglich ein kleiner Bruchteil des Genoms für Proteine kodiert. Man ging zunächst davon aus, dass es sich beim „Rest“ um unnütze DNA handelt, die sich im Verlauf der Evolution angesammelt hat. Es wurde allerdings schnell klar, dass sich in der „Müll-DNA“ wichtige Gene verbergen. Die Funktion solcher nicht-kodierenden RNAs (Ribonukleinsäuren) ist allerdings noch weitestgehend unbekannt.

Eine sehr wichtige Klasse dieser RNAs sind sogenannte kleine nicht-kodierende RNAs, die durch ihre charakteristische Länge von ca. 20-30 Nukleotiden gekennzeichnet ist. Solche RNAs werden microRNAs, siRNAs oder piRNAs genannt. Diese RNAs regulieren die Übersetzung von DNA in Proteine (Gen-Expression) an unterschiedlichen Stellen und stellen somit wichtige Regulatoren in der Zelle dar. Ihre Erforschung steht noch am Anfang, allerdings wird offensichtlich, dass sie eine wichtige Funktion für eine Vielzahl von zellulären Prozessen haben. Man geht sogar davon aus, dass nicht-kodierende RNAs eine wichtige Rolle bei der Ausprägung von verschiedenen Krankheiten – insbesondere von Krebs – spielen.

Die Funktion dieser nicht-kodierenden RNAs bei der Entstehung von Krebs im Detail zu untersuchen und dadurch möglicherweise neue Wege zur Therapie aufzuzeigen, ist Teil des neuen Forschungsprojekts „Small non-coding RNAs in cell function and disease (sRNAs)“ an der Universität Regensburg. Der Europäische Forschungsrat (ERC) fördert das Regensburger Forschungsprojekt für den Zeitraum von Januar 2010 bis Dezember 2014 mit einer Gesamtsumme von 1,14 Millionen Euro. Geleitet und koordiniert wird das Projekt von Prof. Dr. Gunter Meister vom Institut für Biochemie, Genetik und Mikrobiologie der Universität Regensburg.

In enger Zusammenarbeit mit Dr. Dagmar Beier und Dr. Christoph Beier von der Medizinischen Fakultät der Universität Regensburg wollen Prof. Meister und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in speziellen Zellen von Gehirntumoren (Glioblastomen) die microRNAs hemmen. Die Forscher erhoffen sich dadurch, das Wachstum der Tumor-Zellen blockieren zu können. Ein Glioblastom ist eine tödlich verlaufende Krebsform, die derzeit noch nicht geheilt werden kann.

Zudem ist es der Arbeitsgruppe von Prof. Meister erst vor kurzem gelungen, eine neue Klasse von kleinen nicht-kodierenden RNAs zu identifizieren. Diese RNAs zeichnen sich dadurch aus, dass sie aus anderen RNAs herausgeschnitten werden und erst als kleine Fragmente aktiv werden. Es gibt genetische und klinische Hinweise darauf, dass diese Klasse von RNAs bei der Entstehung einer neurodegenerativen Krankheit, dem sogenannten Prader-Willi-Syndrom, eine wichtige Rolle spielen könnte. Die Regensburger Wissenschaftler versuchen nun, die molekulare Funktion dieser kleinen RNAs aufzuklären, um dadurch auch ein besseres Verständnis des Prader-Willi-Syndroms zu erhalten.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass es noch eine Vielzahl bislang unentdeckter Klassen von nicht-kodierenden RNAs gibt. Die Regensburger Wissenschaftler haben es sich daher zum Ziel gesetzt, mittels modernster Methoden weitere RNA-Klassen dieser Art zu finden. Dies dürfte nicht nur zu einem besseren Verständnis der menschlichen Zelle beitragen, sondern auch zu neuen Erkenntnissen über die molekularen Ursachen verschiedener Krankheiten führen.

Nähere Informationen zu ERC Starting Grants:
Mit einem ERC Starting Grant können Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler eine neue Forschergruppe aufbauen oder ein bestehendes Forscherteam konsolidieren. Ziel ist es somit, eine Struktur für den Übergang zu einem unabhängigen exzellenten Forschungsteam aufzubauen und die Kreativität junger und vielversprechender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu fördern sowie neue Ideen in der Forschung zu unterstützen. Die Grants werden im Wettbewerb an herausragende Forscherinnen und Forscher vergeben. Alleiniges Auswahlkriterium ist die wissenschaftliche Exzellenz der Antragstellerinnen und Antragsteller beziehungsweise der Projektvorschläge. Antragsberechtigt für den ERC Starting Grant sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem Zeitraum von drei bis acht Jahren (in begründeten Ausnahmefällen elf Jahren) nach ihrer Promotion.
Ansprechpartner für Medienvertreter:
Prof. Dr. Gunter Meister
Universität Regensburg
Institut für Biochemie, Genetik und Mikrobiologie
Tel.: 0941 943-2847
Gunter.Meister@vkl.uni-regensburg.de

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Alexander Schlaak idw

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